Prozessindustrie
Im verarbeitenden Gewerbe unterscheidet man wegen grundlegend unterschiedlicher Produktionsprozesse zwischen der Fertigungsindustrie, in der die Produkte abzählbare Einheiten darstellen, und der verfahrenstechnischen Industrie bzw. Prozessindustrie, wo Produktionsraten nach Volumen und Gewicht quantifiziert werden.
Ein wesentlicher Anteil der hergestellten Produkte der Prozessindustrie, welche die umsatzstarke chemische und die pharmazeutische Industrie miteinschließt, sind Werkstoffe, die anschließend industriell weiterverarbeitet werden, beispielsweise Polymere (Kunststoffe) und Petrochemikalien. Zudem werden zahlreiche Produkte – Lacke, Farben, Klebstoffe, Düngemittel oder Erzeugnisse aus der Stahl-, Glas-, Zement- sowie der Zellstoff- und Papierindustrie – direkt für den Einsatz beim Endverbraucher produziert. Ebenfalls gehören viele Herstellungsprozesse der Lebensmittelindustrie zur Prozessindustrie. In der hochautomatisierten Prozessindustrie werden häufig hohe Anforderungen an die Prozesssicherheit und/oder Produktqualität gestellt. Mögliche Störfälle bei der Verarbeitung explosiver und giftiger Stoffe unter hohem Druck oder Schwankungen bei der Zusammensetzung oder Qualität von pharmazeutischen Produkten können weitreichende Folgen für Mensch und Gesellschaft nach sich ziehen. Deshalb sind die regulatorischen Vorgaben, etwa im Vergleich zur Fertigungsindustrie, strikt. Als bedeutendste Teilbranche der Prozessindustrie in Deutschland stellt die chemisch-pharmazeutische Industrie, gemessen am Gesamtumsatz, hinter dem Kraftfahrzeug- sowie dem Maschinenbau die drittwichtigste Industriebranche dar.
Zahlen und Fakten
- 454.000 Beschäftigte arbeiteten in der deutschen chemisch-pharmazeutischen Industrie (Stand September 2022), 69.000 Beschäftigte in der Stahlindustrie (Stand September 2022), 54.000 Beschäftigte in der Glasindustrie (Stand 2020), 40.000 Beschäftigte in der Zellstoff- und Papierindustrie (Stand 2020), 8.000 Beschäftigte in der Zementindustrie (Stand 2020).
- 2021 hatte die chemisch-pharmazeutische Industrie in Deutschland einen Umsatz von 227 Mrd. € (Stand 2021), die Stahlindustrie einen von 41 Mrd. € (Stand 2021), die Zementindustrie einen von 3 Mrd. € (Stand 2021), die Zellstoff- und Papierindustrie einen von 16 Mrd. € (Stand 2020), die Glasindustrie einen von 9 Mrd. € (Stand 2020).
- Zur Branche der chemisch-pharmazeutischen Industrie gehören in Deutschland ca. 3.400 meist mittelständische Unternehmen (Stand 2020) sowie mehrere global agierende, sehr umsatzstarke Konzerne.
Quellen:
- Statistisches Bundesamt (2022): Monatsbericht für Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden (EVAS-Nr. 42111), Wiesbaden.
- Verband der Chemischen Industrie (2022): Chemiewirtschaft in Zahlen 2022. Frankfurt.
- Wirtschaftsvereinigung Stahl (2021): Fakten zur Stahlindustrie in Deutschland 2021. Düsseldorf.
- Verband deutscher Papierfabriken (2022): Kennzahlen Zellstoff- und Papierfabriken in Deutschland 2021. Bonn.
- Bundesverband Glasindustrie (2022): Jahresbericht 2021/22. Düsseldorf.
Digitalisierung in der Prozessindustrie
Die Digitalisierung beschäftigt auch die Prozessindustrie in erheblichem Maße – besonders die chemisch-pharmazeutische Industrie. Dabei stellen der nachhaltige Umgang mit Ressourcen, die Synchronisation von Prozesslebenszyklen sowie die unternehmensübergreifende Vernetzung zwischen Kunden, Lieferanten und Dienstleistern mit den dazugehörigen technischen Herausforderungen weiterhin wichtige Treiber dar, um durch digitale Methoden Abläufe gezielt zu verbessern. Die Prozessindustrie hat aufgrund ihres traditionell hohen Automatisierungsgrades grundsätzlich hervorragende Voraussetzungen, um die verschiedensten Zielkriterien zwischen Business- und Produktebene bei der Planung und Optimierung des Fabrik- und Anlagenbetriebs zu berücksichtigen. Auf technischer Ebene spielen hierfür die sogenannten digitalen Zwillinge, die virtuelle Abbildungen von physischen Objekten darstellen, eine Schlüsselrolle. Mit ihnen können unterschiedlichste Abläufe in Fabriken simuliert oder auch nachverfolgt werden. Beim Prozessmonitoring oder der Prozessoptimierung, wo bislang vor allem auf Ansätze der industriellen Steuer- und Regeltechnik und mechanistische Anlagenmodelle zurückgegriffen wird, werden mittlerweile auch datengetriebene Ansätze aus dem Machine Learning bzw. der Künstlichen Intelligenz erprobt.
Digitale Kerntechnologien für die Prozessindustrie
- Intelligente Mess- und Sensortechnik zur Überwachung des Anlagenzustandes, zur Früherkennung nicht bestimmungsgemäßer Betriebszustände und zur bedarfsgerechten Wartung
- Digitale Zwillinge für das Informationsmanagement und als durchgängige Anlageninformationsmodelle
- Methoden der Prozesssimulation und -optimierung zur Verbesserung von Anlagendesign, Anlagenbetrieb und Ressourcennutzung
Quellen:
- Dechema (2020): Sensorik für die Digitalisierung chemischer Produktionsanlagen. Frankfurt am Main.
- A. Schüller, A. Modersohn, M. Kawohl, J. Wrede (2019): Der Digitale Zwilling in der Prozessindustrie. In: atp magazin 61, Nr. 1-2.
- Dechema (2021): Prozesssimulation – Fit für die Zukunft. Frankfurt am Main.
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