Meldung
29.04.2024

Für eine wettbewerbsfähige Industrie: Die Welt der Quanten auf der Hannover Messe

Wie können Quantentechnologien in der Praxis eingesetzt werden? Und wie kann die Industrie konkret davon profitieren? Diese und weitere Fragen waren Thema auf der Hannover Messe. Spannende Einblicke in ein breites Spektrum von Anwendungsfällen boten die vom BMWK geförderten Projekte.

Dr. Nikolay Tcholtchev (links im Bild) und Colin Kai-Uwe Becker von Fraunhofer FOKUS erläutern die Po-tentiale des Quantencomputings für industrielle Anwendungen.
Dr. Nikolay Tcholtchev (links im Bild) und Colin Kai-Uwe Becker von Fraunhofer FOKUS erläutern die Potentiale des Quantencomputings für industrielle Anwendungen.
© DLR-PT

„The World of the quantum may be bizarre, but it is our world and our future“, so formulierte es vor fast dreißig Jahren der australische Physiker Gerard Milburn in seinem Buch „Quantum Technology“. Der Quantencomputer war damals nur eine ungefähre Idee, und noch heute stecken viele Anwendungen in den Kinderschuhen. Doch Quantencomputer gelten als die Rechner der Zukunft.

Quantensprung: Mit EniQmA die Zukunft der Industrie gestalten
Der Einzug der Zukunftstechnologie in die Industrie wird aller Voraussicht nach mit hybriden Anwendungen verbunden sein, also einer Kombination von klassischer Software mit Quantenschaltkreisen. Wie eine solche hybride Quantensoftware entwickelt werden kann, das zeigte Fraunhofer FOKUS auf der Hannover Messe 2024. Im Projekt EniQmA wurde ein leistungsfähiger und benutzerfreundlicher Werkzeugkasten zur Programmierung von Quantensystemen entwickelt. Ziel ist, die Entwicklung von Quantensoftware für industrielle Anwendungen zu unterstützen. Darüber hinaus kommt die High-Level-Programmiersprache Qrisp zum Einsatz, die im ebenfalls von Fraunhofer FOKUS durchgeführten Projekt Qompiler entstanden ist. Mit Hilfe von Qrisp können Quantenalgorithmen erstellt und kompiliert werden, und das strukturierte Programmiermodell der Sprache ermöglicht eine skalierbare Entwicklung und Wartung.
Perspektivisch können die in EniQmA entwickelten Tools es Unternehmen erleichtern, die Türen zur Welt des Quantencomputings zu öffnen und die Potenziale der Technologie auszuschöpfen. Dafür werden sie an Anwendungsfällen aus verschiedenen Bereichen erprobt. Dabei geht es um das Erkennen von Auffälligkeiten in der Produktion, um einen nachhaltigen Flugzeugbau und -betrieb und um die Umlaufoptimierung von Zügen. Unterstützt wird dies durch den in EniQmA verfolgten agilen Ansatz: Algorithmen und Prozesse werden gründlich evaluiert und bei Bedarf adaptiert, und Konzepte werden schnell durch Prototypen validiert und kontinuierlich weiterentwickelt. Dafür bedarf es einer breiten Basis: „Die größte Herausforderung ist der Community-Aufbau“, so Projektleiter Dr. Nikolay Tcholtchev von Fraunhofer FOKUS. „Unser Ziel ist, weitere Partner anzuschließen und unsere Ergebnisse in die Breite zu tragen. Der Auftritt auf der Hannover Messe hat sich dabei als sehr hilfreich erwiesen, wir haben viel Zulauf und konnten einige vielversprechende Gespräche führen.“

QUASIM – mit der Kraft der Quanten Simulationen in der Fertigung optimieren
Die Fertigungsindustrie ist einer der wichtigsten deutschen Wirtschaftszweige. Sie muss höchste Qualitätsanforderungen erfüllen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Um Fertigungsfehler zu vermeiden, wird mit Simulationen gearbeitet. Diese stellen hohe Anforderungen an die Modellierung, benötigen umfangreiche Rechenressourcen und können oft nicht in angemessener Zeit durchgeführt werden.
QUASIM untersucht, wie bestehende numerische und datengetriebene Simulationsmethoden durch Quantencomputing erweitert oder ersetzt werden können. Am Messestand zeigte ein Exponat am Beispiel Fräsen und Laserschneiden, wie Modelle aus Numerik und Maschinellem Lernen durch das Auslagern von Simulationen und Trainings in Quantum AI Services unterstützt werden. Ankit Agrawal und Dr. Daniel Zeuch vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) präsentierten einen konkreten Anwendungsfall: eine Blisk. Dabei handelt es sich um eine Komponente des Flugzeugtriebwerks, die aus einem Stück gefräst werden muss und äußerst kostspielig ist. Dass gleich der erste Fräsvorgang perfekt ausfallen sollte, liegt auf der Hand und liefert starke Motivation, hochqualitative Simulationen durchzuführen.
Was im Projekt QUASIM erarbeitet wird, ist keine Zukunftsmusik. Die Partner aus Wissenschaft und Praxis arbeiten daran, die Leistungskraft der Quanten für die Simulation in der Fertigung kurz- und langfristig nutzbar zu machen. Ziel ist ein niedrigschwelliger Zugang zu QC-Simulationen, auch für Fertigungsunternehmen mit begrenzter Simulationsexpertise.

Vielversprechende Perspektiven für die Fertigungsindustrie, präsentiert vom Team des DFKI
Vielversprechende Perspektiven für die Fertigungsindustrie, präsentiert vom Team des DFKI
© DLR-PT

Quantencomputing „live on stage“
Einen Einblick in die bisher erzielten Ergebnisse lieferten die Projekte EniQmA, QUASIM und Qompiler auch bei zwei kurzen Präsentationen auf dem Messestand des BMWK. Die anwesenden Gäste sahen illustrative Videos der verschiedenen Anwendungsfälle und bekamen eine Vorstellung davon, wie die Programmiersprache Qrisp die Implementation von Programmen erleichtern kann. Auch hier zeigte sich, dass das Zukunftsthema Quantencomputing für das Publikum zwar noch herausfordernd ist, die Entwicklungen der geförderten Projekte aber durchaus den Weg für einen produktiven Einsatz der Technologie aufzeigen.

Moderiertes Fachgespräch
Von Dr. Johann Schmidt, DLR-PT (2. v. r.), moderiertes Fachgespräch: Sebastian Bock, Fraunhofer FOKUS (ganz rechts), erläutert die Programmiersprache Qrisp.
© DLR-PT

Anhand von Projekten wie QUASIM und EniQmA wurde das große Potential des Quantencomputings praktisch greifbar, und die Erwartungen für die kommenden Jahre sind groß. Mit diesen und den weiteren vom Wirtschaftsministerium unterstützten Projekten wurden Weichen gestellt – damit die in Deutschland vorhandene starke Quantenexpertise auch der Industrie zugute kommt.

Weiterführende Links:
Projektwebseite QUASIM
Projektwebseite EniQmA
Projektwebseite Qompiler