Meldung
11.07.2023

Smarte Datenwirtschaft: Erfahrungsaustausch zur digitalen Forschung in der Medizin zeigt die Bedeutung von Wissenstransfer

Die EU-Verordnungen für Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika, die seit 2021 bzw. 2022 in Kraft sind, stellen neue Anforderungen an vorwettbewerbliche Forschungsaktivitäten. Konsequenzen und Lösungsansätze wurden im Workshop „Digitale Forschung in der Medizin – an der Grenze zwischen Grundlagenforschung und Medizinprodukten“ diskutiert.

Künstliche Intelligenz (KI) ist aus Medizinprodukten und der Gesundheitswirtschaft nicht mehr wegzudenken. Unter Federführung von Telemed5000, einem Projekt aus dem Programm Smarte Datenwirtschaft, kamen Vertreterinnen und Vertreter aus Behörden, Verbänden sowie Projekten der Technologieprogramme Smarte Datenwirtschaft und KI-Innovationswettbewerb am 21. Juni in Berlin zusammen, um ihre Erkenntnisse zu den neuen EU-Regularien auszutauschen.

Sobald KI in Forschungsvorhaben aus dem Bereich der Gesundheitswirtschaft eingesetzt wird, ist das Projektziel entscheidend dafür, welche regulatorischen Anforderungen es zu beachten gilt: So sind die Anforderungen für Medizinprojekte erheblich höher als für wissenschaftliche Methoden. Soll ein Medizinprodukt entwickelt und erprobt werden, das mit Hilfe von KI in der Lage ist, Ergebnisse wie Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorzubringen, greift die EU-Verordnung für Medizinprodukte (MDR). Sie regelt unter anderem die Anforderungen, die eine klinische Studie – eine Studie, in der ein Medizinprodukt am Menschen getestet wird – erfüllen muss.

Für Forschungsprojekte bedeutet das zum einen, dass sie bei Medizinprodukten einen beträchtlichen Dokumentationsaufwand haben. Ein Aufwand, der insbesondere in kleinen Forschungsteams zu einer großen Herausforderung wird. Zum anderen kommen zwei Schritte auf das Projekt zu: Zunächst prüft die zuständige Ethikkommission die klinische Studie nach ethischen und rechtlichen Kriterien. Werden diese Kriterien erfüllt, entscheidet die Kommission, ob diese Studie die Anforderungen an ein Medizinprodukt nach der MDR erfüllen muss. Ist dies der Fall, führt das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) oder das entsprechende Landesamt die Prüfung der Studie fort. Genehmigt das BfArM den Antrag ebenfalls, steht dem Forschungsvorhaben nichts entgegen. Für das Genehmigungsverfahren muss generell viel Zeit eingeplant werden, empfehlen Vertreterinnen und Vertreter der Forschungsprojekte Telemed5000 (Smarte Datenwirtschaft), EMPAIA und KI-SIGS (beide KI-Innovationswettbewerb).

Gemeinsam einen Weg finden

Dieser Zeitaufwand kann sich jedoch lohnen: So blickte Prof. Dr. Friedrich Köhler, Sprecher des Projektes Telemed5000, auf einen Prozess zurück, der lange gedauert und viel gekostet habe, aber auch lehrreich gewesen sei und wichtig, um Klarheit für weitere Innovationen zu schaffen. Denn nach vielen Gesprächen überzeugte er letztlich die BfArM davon, dass es sich beim Forschungsprojekt Telemed5000 um kein Medizinprodukt handelt. Grund für den aufwendigen Prozess sei, dass bei den jeweiligen Genehmigungs- und Antragsverfahren stets fallbezogen zwischen einzelnen Rechten abgewogen würde, wie Dr. Uwe Behrens, Clinical Trial Office der Charité erklärte. Beispielsweise stehe die Forschungsfreiheit dem auf informelle Selbstbestimmung gegenüber. Denn würden zum Beispiel Daten mittels KI weiterverarbeitet, so Behrens, müssten auch Aspekte des Datenschutzes berücksichtigt werden, um die Patientinnen und Patienten zu schützen. Und mit dem nun vom Europaparlament verabschiedeten Artificial Intelligence Act (AI Act) wurden noch weitere Maßnahmen zur Regulierung von KI eingeführt.

In der abschließenden Diskussionsrunde waren sich alle einig: Alle Beteiligten eines Forschungsprojektes müssen ihr Wissen über die Prozesse – von der Projektplanung bis zur Umsetzung – teilen, um ihr Ziel zu erreichen. Das gilt zwar für alle Projekte, ist aber aufgrund der langwierigen und aufwändigen Verfahren bei Medizinprojekten besonders wichtig. Dazu gehört z zum Beispiel frühzeitig miteinander zu klären, ob alle für das Projekt oder Teilprojekt benötigten Daten bereits vorliegen, woher diese Daten kommen und welche Regularien dadurch zu erwarten sind. Zum einen können die Projekte dann Genehmigungs- und Antragsverfahren frühzeitig einleiten. Zum anderen können sie die absehbaren regulatorischen Aufwände bereits in ihr Arbeitspapier für die Ressourcenplanung aufnehmen, um diese frühzeitig im weiteren Forschungsprozess nutzen können. Wird zusätzlich eine Lösung dafür gefunden, die Regularien für die Erforschung von Medizinprodukten für seltene Krankheiten anzupassen, profitiert nicht nur der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Deutschland. Denn am Ende steht eines im Vordergrund: Die Gesundheit der Patientinnen und Patienten.