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10.01.2023

FabOS: Entwicklung von Geschäftsmodellen für plattformbasierte Ökosysteme

Dieser Artikel beschreibt eine Methode für die Entwicklung von Geschäftsmodellen (Business Modell, BM) innerhalb eines plattformbasierten Ökosystems. Die Methode wurde im Rahmen des Forschungsprojekts FabOS entwickelt und in Workshops mit den Projektpartnern validiert. Der Schwerpunkt dieses Artikels liegt auf der Anwendung des entwickelten Ansatzes im Rahmen des industriellen Forschungsprojekts, der mehrere bereits etablierte Geschäftsmodellmethoden kombiniert.

Auf dem Bild ist eine Person in einem Maschinenraum mit einem Tablet zu sehen.
© FabOS
FabOS

Die Erfolge großer Plattformanbieter verdeutlichen das enorme wirtschaftliche Potenzial von Plattformen im Business-to-Customer (B2C)-Bereich. Gemessen an den Unternehmenswerten sind die sieben größten börsennotierten Plattformunternehmen wertvoller als die Summe aller börsennotierten Unternehmen aus dem Euro Stoxx 50. Traditionell produktorientierte BM wandeln sich zunehmend zu datenzentrierten Ansätzen, die durch Technologien der Digitalisierung ermöglicht werden.

Klassischerweise bestand das Wertversprechen in der Übertragung des Eigentums an einem physischen Produkt durch dessen Verkauf an den Kunden. Der Kunde war für die Kosten des Betriebs und der Wartung der Maschine oder Anlage verantwortlich. Die Vernetzung und Sammlung von Produktdaten in intelligenten Produkten ermöglichen einen radikalen Wandel dieses langjährigen Geschäftsmodells. Mit den zusätzlichen Informationen können die Hersteller Ausfälle vorhersagen, reduzieren und optimieren, was zu völlig neuen Produktleistungen und ganzheitlichen Serviceangeboten führt, wie z. B. dem Product-as-a-Service-Modell.

Die Plattformökonomie gilt als Schlüssel zur Umsetzung von datenzentrierten Ansätzen in einer digitalisierten Wirtschaft und ermöglicht somit diesen Transformationsprozess durch den Aufbau digitaler Ökosysteme.

Eine Besonderheit des FabOS-Projekts ist die hohe Anzahl von 25 Projektpartnern im interdisziplinären Konsortium. Das Konsortium besteht aus potenziellen Anwendern aus dem Maschinen- und Anlagenbau, verschiedenen Forschungseinrichtungen und Softwareentwicklungsunternehmen. Bereits in der Entwicklungsphase zielt das FabOS-Projekt auf Kontinuität und einen zukünftigen wirtschaftlichen Betrieb ab. Aus diesem Grund stellt sich die Frage, wie der spätere wirtschaftliche Betrieb der FabOS-Plattform mit den individuellen Nutzungsmöglichkeiten der Partner in Einklang gebracht werden kann. Um diese Frage zu beantworten, wurde ein strukturierter und kundenorientierter Ansatz entwickelt. Dieser berücksichtigt sowohl die Entwicklung von BM auf der spezifischen Produkt- und Dienstleistungsebene als auch auf der generischen, übergreifenden Branchenebene.

Eine gängige Definition beschreibt eine BM als die Art und Weise, wie ein Unternehmen Werte für seine Kunden schafft und dabei Geld verdient. In der Literatur gibt es eine Vielzahl von Methoden und Ansätzen für die BM-Entwicklung. Beispielsweise verwendet Osterwalder neun Elemente zur Beschreibung einer BM in der sogenannten Business Model Canvas (BMC), während der Business Model Navigator von Gassmann diese auf vier Elemente reduziert.

Aufgrund von Einschränkungen des BMC, wie dem Ausschluss von externen Kräften und Marktfaktoren aus Ökosystemen oder der starken Fokussierung auf nur eine Dimension des BM (Wertversprechen), ist dieses Tool für den Einsatz in der Plattform-Geschäftsmodellentwicklung allein nicht ausreichend. Der Business Model Navigator von Gassmann hat ebenfalls Einschränkungen. Sein Fokus ist stark auf den Kunden ausgerichtet. Andere Stakeholder, die in Plattform-Ökosystemen notwendig sind, werden bei der BM-Entwicklung nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund ist das Tool auch nicht ausreichend für den alleinigen Einsatz in der Plattform-Geschäftsmodellentwicklung. Die Einschränkungen zum Zeitpunkt der Methodenentwicklung beider Instrumente für die BM-Entwicklung erfordern ein neues, separates Vorgehen, das im folgenden Teil erläutert wird.

Die Methode verfolgt einen zweiteiligen Ansatz. Zunächst die Entwicklung der individuellen BM für die Produkte der einzelnen Ökosystemteilnehmer und die Entwicklung eines Betreibermodells und BM für die zukünftige Plattform FabOS. Die erarbeiteten Ergebnisse jeder Phase werden genutzt, um die Inhalte der jeweils nächsten Phase voranzutreiben und individuell an die Partner anzupassen

1. Individuelle Befragungen

In der ersten Phase wird ein Fragebogen entwickelt, um die Anforderungen der einzelnen Partner zu erfassen und die individuellen Produkt- und Dienstleistungsideen zu erfassen. Die Partner haben die Möglichkeit, gezielt Inhalte in den BM-Workshop einzubringen.

2. Individuelle BM-Workshops für Partner - Kunden und BM-Muster

Die einzelnen Teilnehmer können unterschiedliche Funktionen in den Unternehmen und Wissenshintergründe haben. Um eine gemeinsame Basis für das Verständnis von BM zu schaffen, wird im ersten Teil des Workshops eine Einführung in das Thema auf der Grundlage der Arbeiten zu BM-Ebenen und der Business Model Canvas gegeben sowie BM-Beispiele aus der Industrie vorgestellt. Anschließend wird diskutiert, in welcher Rolle sie sich im Ökosystem befinden und wer ihre potenziellen Kunden sind. Nach dieser Einordnung wird mit der Methode Customer Value Proposition das eigene Produkt und dessen Mehrwert für den Zielkunden diskutiert. Anschließend diskutieren die Teilnehmer, welche BM sie für umsetzbar halten. Als Diskussionsgrundlage dienen hier die 55 BM-Muster des Business Model Navigators, erweitert um fünf zusätzliche BM-Muster für den digitalen Markt. Die Ergebnisse der Einzelinterviews aus Nr. Die Ergebnisse der Einzelinterviews aus Nr. 1 unterstützen die Vorauswahl von 10 BM-Mustern, die im Dialog mit den Teilnehmern auf ihre Umsetzbarkeit hin diskutiert werden. Abschließend werden die vorausgewählten BM-Muster strukturiert auf die Erfüllung der Anforderungen des Business Model Navigators hin bewertet.

3. BM-Workshop (FabOS) unter Einbeziehung des rechtlichen Betreibermodells - Teil 1.

Das Betreibermodell eines Ökosystems beschreibt die Organisation der Ökosystemteilnehmer in einer oder mehreren juristischen Personen, z.B. Vereinen oder Genossenschaften. Diese juristischen Personen nehmen verschiedene Aufgaben wahr, wie z.B. das Lizenzmanagement der Produkte, die Standardisierung technischer Lösungen, die Organisation der Weiterarbeit, etc. Das Betreibermodell des Ökosystems ist somit als Grundlage sowohl für die BM der einzelnen Partner als auch für die Plattform des Ökosystems zu sehen. Daher muss zunächst das Betreibermodell für das Ökosystem entwickelt werden, bevor die BM des Ökosystems fertiggestellt wird. Die Ergebnisse aus Nr. 2 werden verwendet, um zu ermitteln, welche BM-Muster für die einzelnen Partner des Ökosystems von Interesse sind. Darauf aufbauend werden verschiedene Betreibermodelle und Rechtsformen für das Ökosystem beschrieben. Die beispielhaften Betreibermodelle werden den Ökosystemteilnehmern vorgestellt. Für jedes Beispiel werden Vorteile, Nachteile und Hindernisse einer möglichen Umsetzung der Betreibermodelle für die Ökosystemteilnehmer diskutiert.

4. Individuelle BM-Workshops für Partner - weitere Dimensionen

Einleitend werden die Ergebnisse des ersten Workshops aus Nr. 2 diskutiert und damit verglichen, wie sich die Produkte, Dienstleistungen oder Kundenanforderungen in der Zwischenzeit verändert haben. Die ausgewertete Liste möglicher BM-Muster aus Teil Nr. 2 dient als Diskussionsgrundlage. Anschließend werden mit den Teilnehmern die fehlenden Dimensionen des Business Model Canvas herausgearbeitet. Ausgehend von diesen fehlenden Dimensionen des BMC werden die fünf Themenblöcke (Notwendige Ressourcen, Kostenkalkulation, Partnerauswahl, Vertriebskonzept sowie Preis- und Erlösmodelle) in modularer Form, als kurze Keynotes vorgestellt und abschließend mit Hilfe von Leitfragen diskutiert. Für jeden Teilnehmer liegt der Fokus auf einem anderen Modul. Die Auswahl der Schwerpunktthemen basiert auf den Ergebnissen der Einzelinterviews aus Nr. 1 und dem ersten Teil des Workshops aus Nr. 2. Abschließend wird der BMC gemeinsam mit den Teilnehmern ausgefüllt.

5. BM-Workshop (FabOS) unter Einbeziehung des gesetzlichen Betreibermodells - Teil 2.

Der zweite Teil des Workshops für die Ökosystemteilnehmer zum Thema Betreibermodell und BM basiert auf den Ergebnissen der Workshops aus Nr. 2 und Nr. 3. Im Rahmen dieses Workshops soll ein selbst definiertes Betreibermodell-Canvas im Konsortium ausgefüllt werden. Dieses Canvas bietet eine Hilfestellung, um vier zentrale Elemente für die Definition eines Betreibermodells zu berücksichtigen: Angebot & Aufgabe (Zweck), Akteure & Kompetenzen, Statuten und Finanzierung. Auf dieser Basis wird ein übergeordnetes BM für das Gesamtprojekt erstellt. Darüber hinaus wird ein Konzept entwickelt, wie die BM der einzelnen Partner in das endgültige Betreibermodell und die BM integriert werden können. Das Betreibermodell und die BM werden dem Konsortium in einem Workshop vorgestellt und abschließende Diskrepanzen zwischen den Anforderungen der einzelnen Partner und dem Vorschlag werden in einer anschließenden moderierten Diskussion diskutiert.

Fazit

Die in diesem Artikel vorgestellte Methode wird für die Entwicklung von individuellen Geschäftsmodellen für eine Vielzahl von Partnern im Konsortium und das Projekt selbst eingesetzt. Der erste Teil der Methode zeigt, dass individualisierte BM-Entwicklungen für einzelne Ökosystemteilnehmer und für die gesamte Plattform auch in heterogenen Forschungsprojekten durch modularisierte Kombination von gängigen BM-Entwicklungsmethoden möglich sind. Der Vorteil der entwickelten Methode liegt somit in der Verknüpfung der individuellen BM-Anforderungen der beteiligten Unternehmen mit dem Gesamtgeschäftsmodell für FabOS. Der modulare Ansatz zur Erörterung der BM-Dimensionen und die Tatsache, dass die Kundenperspektive im Vordergrund stand, bot die Möglichkeit, intensiver auf die Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen. Die anfänglichen Einzelinterviews erwiesen sich als wesentlicher Bestandteil der Methodik und die Methode bietet ein strukturiertes Vorgehen und bindet alle Partner gezielt ein.

Zum englischen Original-Artikel von FabOS bitte hier klicken.