Meldung
18.12.2018

Digitale Services in Kommunen: Neuer Leitfaden als Orientierungshilfe

Die Digitalisierung von kommunaler Verwaltung und Dienstleistungen stellt viele Städte und Gemeinden vor enorme Herausforderungen. Unterstützung bietet der kürzlich erschienene Leitfaden „Digitale Services in Kommunen - Eine Orientierungshilfe zu Technologien, Finanzierung und Beschaffung“, der im Programm Smart Service Welt I erarbeitet wurde.

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Smart Service Welt - Orientierungshilfe zu Technologien, Finanzierung und Beschaffung

Im Interview spricht Haifa Rifai aus der Begleitforschung von Smart Service Welt über die Zukunft digitaler Services in Städten und Gemeinden, die richtige Herangehensweise und Vorreiter unter den Kommunen.

Wie können Kommunen von digitalen Services profitieren?

Rifai: Kommunen sind für alle Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft zuständig, dazu zählen beispielsweise die Abwasserbeseitigung, das Meldewesen oder die Schülerbeförderung. Digitale Services können diese Aufgaben erleichtern oder effizienter gestalten. Ein gutes Beispiel ist Starkregen: Dann laufen in dicht besiedelten Gebieten nicht selten die Kanäle über und das Wasser steigt auf den Straßen. Wenn kurz vor dem Regen alle Überlaufbecken in dem Regengebiet entleert und alle Pumpen bereits aktiviert wären, könnten die Wassermassen effizienter abgeführt und eine Überflutung vermieden werden. Grundlage dafür sind digitale Services, die über aktuelle Wetterinformation verfügen und alle Akteure im Kanalisationssystem vernetzen. So werden Berechnungen und Reaktionen möglich, die um ein Vielfaches schneller als das menschliche Handeln sind.

Die Schülerbeförderung ist ein weiteres Anwendungsfeld. Sie erfolgt in den meisten Kommunen im Linienverkehr. Insbesondere in ländlichen Regionen sind die Strecken oftmals sehr weit und die Fahrzeiten dadurch immer lang, egal ob ein Kind abgeholt werden muss oder nicht. Ein digitaler Dienst, bei dem alle betroffenen Schüler mit ihren Zieladressen registriert sind, kann entsprechend der im Bus fahrenden Kinder die optimale Fahrtroute für die Rückfahrt berechnen und dadurch die Fahrtstrecken und -zeiten verkürzen.

Auch regelmäßige Tätigkeiten wie die Überprüfung von Kanalsystemen, Wasserzählerablesungen, Müllabholungen oder Stromablesungen können durch digitale Services effizienter gestaltet werden. Gerade in ländlichen Regionen ist das Potenzial groß: So muss nicht jeder Hof, jeder Kanal, jede Mülltonne angefahren werden, wenn es gar nicht nötig ist. Indem die Daten entweder automatisch zugesandt werden – das ist bei Wasser oder Strom möglich – oder von den Systemen selbst der Bedarf einer Überprüfung, Entleerung oder Reinigung gemeldet wird, können hier Ressourcen eingespart werden.

Welche Hilfestellungen bietet der Leitfaden für die Einführung digitaler Dienste?

Rifai: Der Leitfaden enthält Informationen zu modernen Technologien mit entsprechenden Anwendungsbeispielen aus der Praxis, zu Finanzierungsmöglichkeiten von Digitalisierungsmaßnahmen, zur Vergaberechtsreform und zu Regelungen im innovativen Beschaffungswesen. Über die angegebenen Quellen können sich interessierte Leser in den für sie relevanten Bereichen weitergehend informieren bzw. Kontakt zu den richtigen Ansprechpartnern aufnehmen.

Ein konkretes Beispiel: Es ist eine verbreitete Meinung, dass bei einer Ausschreibung immer der günstigste Anbieter genommen werden muss. Das schränkt jedoch den Spielraum bei der Einführung innovativer Technologien stark ein. Durch die Vergaberechtsreform erhalten die Auftraggebenden mehr Entscheidungsfreiheit bei der Vergabe: Sie können zwischen dem offenen und nicht offenen Verfahren wählen, von der Erweiterung der Anwendungsbereiche im Verhandlungsverfahren Gebrauch machen oder den wettbewerblichen Dialog nutzen. Diese und weitere Möglichkeiten werden in dem Leitfaden beschrieben und anhand von Beispielen illustriert.

Wo gibt es in Deutschland digitale Vorreiterkommunen?

Rifai: Es gibt mittlerweile viele Städte und Gemeinden, die innovative Technologien und digitale Dienste einsetzen. Da in den unterschiedlichen Kommunen verschiedene Problemstellungen existieren und dementsprechend unterschiedliche digitale Services erforderlich sind, ist es schwer vergleichbar. Es sind manchmal nur kleine Maßnahmen, die für die Gemeinschaft jedoch einen erheblichen Mehrwert bieten. Eine bedarfsorientierte Schülerbeförderung wurde in der Stadt Olfen umgesetzt. Die Stadtwerke Rodgau setzen intelligente Papierkörbe ein, die ihren Füllstand an die Stadtwerke melden. So kann die Müllabholung bedarfsgerecht erfolgen, wodurch 75 Prozent der Logistikkosten eingespart werden konnten. Die Stadt Siegen verwendet intelligente Sinkkästen in ihrer Kanalisation, die ihren Wartungsbedarf bei Verstopfung melden und nur dann ein Techniker rausfahren muss.

Zudem existieren verschiedene Digitalisierungswettbewerbe, an denen fortschrittliche Kommunen teilnehmen können. Dazu gehört etwa die „Modellkommune Open Government“, ein Wettbewerb in dem sich Bonn, Brandis, Köln, Merzenich, Moers, Marburg-Biedenkopf, Oldenburg, der Saalekreis und Tengen durch ihre Open Government-Maßnahmen zur Modellkommune qualifiziert haben. Auch der Bitkom-Wettbewerb „Digitale Stadt“ zeichnet besonders engagierte Kommunen aus. Die fünf Finalisten waren Paderborn, Darmstadt, Wolfsburg, Kaiserslautern und Heidelberg.

Digitalisierungsmaßnahmen von mittleren bis großen Städten können natürlich nur bedingt mit kleinen Kommunen verglichen werden. Aktuell würde ich daher jede Kommune, die bereits ein Konzept erarbeitet und Digitalisierungsmaßnahmen umgesetzt hat, als Vorreiterkommune bezeichnen.


Der Leitfaden kann hier heruntergeladen werden.