DEER
Dezentraler Redispatch (DEER): Schnittstellen für die Flexibilitätsbereitstellung
Kurzbeschreibung |
Ziel des Projekts DEER ist es, kleinere, meist weiträumig verteilte Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen sowie Batteriespeicher mittels dezentraler Agenten in das Stromsystem zu integrieren, um auch diese Anlagen flexibel und effizient steuern und abrechnen zu können. |
DEER entwickelt und erprobt ein Edge-basiertes Konzept zur Nutzung von verteilten Flexibilitäten im Stromsystem. Dabei werden kleine Verbrauchs- und Erzeugungsanlagen sowie Batteriespeicher, wie sie typischerweise von Privathaushalten oder kleinen und mittleren Unternehmen genutzt werden, in Maßnahmen zur Erhaltung der Netzstabilität einbezogen. Die Kleinstanlagen werden dazu befähigt, am sogenannten Redispatch mitzuwirken. Mit dem Redispatch werden tagesaktuell erwartete Engpässe im Stromnetz vermieden. Je nach Beanspruchung des Netzes werden dafür Stromverbrauch, Stromerzeugung und Stromspeicher flexibel aufeinander abgestimmt. Da im Zuge der Energiewende die Zahl der Kleinstanlagen immer weiter steigt, leistet DEER mit der Entwicklung von Schnittstellen für die Flexibilitätsbereitstellung durch dezentrale Kleinstanlagen einen Beitrag zur Transformation des Energiesystems, das zukünftig vermehrt aus einer Vielzahl kleiner, dezentraler Anlagen besteht.
Marktperspektive und Produktversprechen
Kraftwerksbetreiber sind in Deutschland verpflichtet, jeweils am Vortag in einem Fahrplan festzuhalten, welche Kraftwerke sie mit welcher Auslastung und über welche Zeiträume einsetzen. Diesen Dispatch genannten Fahrplan übermitteln sie an den Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB), in dessen Regelzone sich ihre Kraftwerke befinden. Auf Basis dieser Fahrpläne berechnen die ÜNB für das gesamte Bundesgebiet die Netzbelastung des kommenden Tages. Auf diese Weise können sie identifizieren, in welchen Teilen des Stromnetzes ggf. Engpässe drohen. Um diese zu vermeiden, werden die Kraftwerksbetreiber angewiesen, ihre Stromproduktion in netzstabilisierender Weise zu verschieben. Dieser Vorgang wird Redispatch genannt. Seit 2021 werden am Redispatch 2.0 alle Anlagen ab einer Größe von 100 kW beteiligt.
Dezentrale, kleinere Anlagen unter 100 kW werden vom Redispatch 2.0 demgegenüber nicht erfasst. Auch Einheiten, die hinter dem Stromzähler liegen, können meist nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand nutzbar gemacht werden. Da die Zahl dieser Kleinstanlagen perspektivisch steigt, während die Zahl größerer Kraftwerke abnimmt, bleibt mit Fortschreiten der Energiewende das Instrument des Redispatch nur dann wirkmächtig, wenn auch Kleinstanlagen unter 100 kW Flexibilitäten zur Verfügung stellen. Zudem ist der Einsatz konventioneller, fossiler Energieerzeuger im Redispatch-Prozess so zu reduzieren, dass CO₂-Emissionen eingespart werden.
Das übergeordnete Ziel des Projekts DEER ist es, das Flexibilitätspotenzial kleinteiliger Anlagen mittels dezentraler Edge-Technologie zu bündeln, zu steuern und so die dezentralen Anlagen in den übergeordneten Redispatch-Prozess einzubinden. Dies stellt eine Weiterentwicklung des Redispatch-Regimes zu einem Redispatch 3.0 dar. Im Mittelpunkt des Projekts steht dabei die Potenzialanalyse der für die Konzeptumsetzung aufeinander abzustimmenden Technologien: Edge-Computing, Multi-Agentensystem (MAS), Blockchain-Verfahren, selbstsouveräne Identitäten (SSI) und Zero-Knowledge Proofs (ZKP).
Edge- und Agenten-Technologie ermöglichen hierbei die Bündelung der flexiblen Kleinstanlagen und die Schaffung von Schnittstellen für den Redispatch. Blockchain, SSI und ZKP sollen eine trennscharfe Nachweiserbringung und Rechnungsführung sowie einen souveränen Datenaustausch unter Berücksichtigung von Datenschutz und Privatsphäre gewährleisten. Die Ergebnisse der Potenzialprüfung dienen zum einen der weiteren wissenschaftlichen Entwicklung sowie der Beratung der Stromwirtschaft und Politik, zum anderen der Verbesserung von Energiedienstleistungen sowie perspektivisch des Übertragungsnetzbetriebs. Zudem fließen die Projektergebnisse in bestehende Normen und Standards sowie die in die Vorbereitung neuer Normen und Standards ein.
Herausforderung und Innovation
Die Einbindung von Millionen verteilter Erzeugungs-, Verbrauchs- und Speichereinheiten in das Energiesystem erhöht die Anforderungen an eine zuverlässige Koordination, eine einheitenscharfe Nachweisführung und eine feingranulare Abrechnung. Aufgrund der Vielfalt (Anzahl und Technik) von mittel- und langfristig in die Netzführung zu integrierenden Kleinstflexibilitäten muss der Datenaustausch von konstanten und sich durchgehend verändernden Daten (Stamm- und Bewegungsdaten) weiter automatisiert und vertrauenswürdig gestaltet werden.
Im Projekt wird dafür auf Basis eines Multi-Agentensystems (MAS) ein Verfahren zur Selbstorganisation von Anlagenpools entwickelt, die kleine bis kleinste Einheiten flexibel zusammenschließen können. Ein intelligenter (Software-)Agent ist ein (weitgehend) autonom agierendes (Software-)System, das seine physische und/oder virtuelle Umgebung über Sensoren wahrnehmen und mittels Aktoren beeinflussen kann. Das im Projekt entwickelte MAS umfasst eine Vielzahl an intelligenten Agenten, die mittels Edge-Computing und verteilter künstlicher Intelligenz interagieren, kommunizieren und sich koordinieren können, um die festgelegten Ziele kooperativ zu erreichen. Die Flexibilitäten von Kleinstanlagen können so gebündelt und über eine Flexibilitätsplattform vermarktet werden. Zur sicheren und vertrauenswürdigen Erbringung des Nachweises, dass die jeweiligen Flexibilitäten zur Verfügung gestellt werden, wird ein Blockchain-gestützter Technologieansatz verfolgt. Um dabei keine personenbezogenen Daten der Kleinstanlagen auf der Blockchain speichern zu müssen und die Datensouveränität der Netzwerkteilnehmer zu wahren, erprobt DEER den Einsatz von SSI- und ZKP-basierter Identifikations- und Konsensmechanismen.
Use Cases
Zum Abschluss des Projekts werden die Vorarbeiten zum Multi-Agentensystem und der datenminimalen Nachweisführung prototypisch umgesetzt. Dieser Prototyp wird anschließend in einem Feldtest anhand im Projektverlauf festgelegter Kriterien evaluiert. Ziel dabei wird es insbesondere sein, die gesamte Funktionsfähigkeit sowie die einzelnen Schnittstellen zwischen Multi-Agentensystem, Nachweisführung und Flexibilitätsplattform zu testen und Aussagen über die Skalierbarkeit auf größere Systeme treffen zu können.
Konsortium
Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT (FIT WI) (Konsortialführer), Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT (FIT WI), OFFIS e.V. - Institut für Informatik, be.storaged GmbH, TenneT TSO GmbH, OLI Systems GmbH, Deutsche Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE (DKE), UBIMET (Österreich)
Vorteil
Heute | In Zukunft |
Redispatch 2.0: Kleinstanlagen unter 100 kW und Einheiten hinter dem Stromzähler stehen für den Redispatch nicht zur Verfügung. | Redispatch 3.0: Kleinstanlagen unter 100 kW und Einheiten hinter dem Stromzähler stehen für den Redispatch und tragen so zur Netzstabilität mit bei. |
Für den Redispatch werden überwiegend konventionelle Kraftwerke mit hohen CO2-Emissionen eingesetzt. | Im Redispatch wird eine Vielzahl von Kleinstanlagen regenerativer Energieerzeugung einsetzt und damit CO2-Emissionen eingespart. |
Angesichts der Vielzahl von Kleinstanlagen ist eine anlagenscharfe Nachweiserbringung und Abrechnung von zur Verfügung gestellten Flexibilitäten bislang nicht möglich. | Edge-, Blockchain-, MAS-, SSI- und ZKP-Technologien ermöglichen eine automatische, anlagenscharfe Nachweiserbringung und Abrechnung. |
Der Schutz personenbezogener Daten stellt die Einbindung von Kleinstanlagen vor eine bislang ungelöste Herausforderung. | Die Privatsphäre der Beteiligten Anlagen-Eigentümer wird durch das Design der DEER-Lösung geschützt. |
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