Meldung
06.02.2025
Interview: Dr. Uwe Koenzen (Projekt ChargePal) zu Ergebnissen und Erkenntnissen aus der Forschungspraxis
Wie können Elektrofahrzeuge auch dann geladen werden, wenn der Stellplatz nicht unmittelbar an eine stationäre Ladesäule grenzt? Welcher Grad an Automatisierung ist beim Transport mobiler Batteriemodule bereits realisierbar? Unter anderem mit diesen Fragen beschäftigten sich die Verantwortlichen des im Rahmen des Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“ geförderten Projekts ChargePal (LadeKumpel). Aus Anlass des Projektlaufzeitendes blickt Dr. Uwe Koenzen im Interview auf Meilensteine des Projekts zurück. Er spricht über die weiterhin notwendige Akzeptanzförderung für Elektromobilität in Deutschland und wagt einen Ausblick auf mögliche weitere Arbeit an den ChargePal-Fragestellungen.

Uwe Koenzen, verantwortlicher Projektleiter beim Projekt ChargePal
Woran haben Sie in ihrem Projekt ChargePal konkret geforscht?
Uwe Koenzen: Zentrales Element von ChargePal ist die Entwicklung und Erprobung eines autonomen Robotersystems, welches in der Lage ist, Fahrzeuge autonom zu laden. Man könnte auch von einem digitalen, elektronischen Tankwart sprechen.
Letztes Jahr im September endete die Projektlaufzeit – welches sind aus Ihrer Sicht die Kernergebnisse?
Es ist uns gelungen, ein Gesamtsystem aus Lademodulen zu entwickeln – große Batterien also, die von Robotern transportiert und zum Fahrzeug gebracht werden. Diese Roboter sind gleichzeitig in der Lage, einen individuellen Ladestecker, zum Beispiel CCS oder Typ 2 AC, in das Fahrzeug einzustecken und so den Ladeprozess zu starten. Ein Ablauf, den ich durchaus als anspruchsvoll bezeichnen würde. Roboter brauchen mehrere Millionen Steckvorgänge als Praxistraining, um einen Steckvorgang, den wir Menschen intuitiv durch entsprechende Bewegungen herbeiführen können, fehlerfrei auszuführen. Zunächst mag sich das banal anhören, aber die Anforderungen von der technischen Seite sind dann doch erheblich. Neben der reinen Ladefunktion soll das System zusätzlich die verwendeten Batterien bidirektional mit dem Netz in Verbindung bringen. Das Ziel ist, dass die Batterien auch noch als Pufferspeicher arbeiten können. Alles in allem ein relativ komplexes System, das wir da entwickelt haben!
Wie schätzen Sie die Chancen für eine breite Nutzung dieser Technologie und der Verfahren ein, die Sie eben beschrieben haben?
Wir sehen das Ganze als eine Möglichkeit, große Parkareale, wie man sie zum Beispiel in Parkhäusern an Flughäfen findet, ohne den Aufwand von stationären Ladeeinrichtungen für den Einsatz unseres Laderoboter-Systems zu erschließen. Für die Zukunft erwarte ich eine Vielzahl von Effekten und neuen Optionen. In unserer Forschung haben wir uns aber auch mit Szenarien beschäftigt, wo wir Fahrzeuge, die mehrere Tage stehen, laden. In einem solchen Fall sollten natürlich keine festen Ladestationen blockiert werden. Gerade mit Blick auf die kommenden zehn bis 15 Jahre sehen wir die Möglichkeit, weitgehend automatisierte Ladeprozesse Realität werden zu lassen.
Haben Sie neben dem skizzierten Use Case, noch andere Bereiche vor Augen, wo Sie Chancen für die Verbreitung sehen?
Das ist durchaus denkbar, weil die Systeme modular aufgebaut sind. Nicht nur, dass der Roboter alleine stecken kann. Es ist genauso vorstellbar, dass autonom fahrende Fahrzeuge von sich aus solche Roboterladestationen zum Laden ansteuern werden.
Und dann gibt es noch etwas, womit wir am Anfang gar nicht gerechnet hatten. Auch die Ladeeinrichtung, das heißt also die Batterie mit ihrer Ladetechnologie selbst, kann auch ohne Roboter zum Einsatz kommen. Wir reden hier über Plätze, an denen mobile Ladestationen sinnvoll sind, zum Beispiel in Autohäusern oder in größeren privaten Garagen. Ein weiteres denkbares Szenario betrifft die Pannenhilfe, die ja zunehmend mit Fahrzeugen konfrontiert ist, die ungeplant an Orten stehen, wo sie keinen Zugang zu einer stationären Ladestation haben.
Wie sehen Sie denn langfristig ihre Projektergebnisse im Kontext der Weiterentwicklung der Elektromobilität im Großen und Ganzen?
Wenn man sich an den sprichwörtlichen Stammtischen der Republik umhört, dann ist das Laden ein riesengroßes Thema. Für die Vielzahl der Fahrzeugnutzer ist es keine geübte Praxis und alles, was dabei hilft, Fahrzeuge sicher geladen zu bekommen, also so, dass das Fahrzeug auch wirklich den Ladezustand hat, den man haben möchte, ist wichtig für die Zukunft der Elektromobilität.
Das, was unser Projekt zeigen konnte, ist, wie ich bereits sagte, aus zwei Richtungen relevant.
Also, wenn ein Roboter ein Fahrzeug lädt, das selbst fährt – und auch andersrum, wenn das Fahrzeug steht und die Ladestation praktisch zum Fahrzeug gebracht wird. All das ist hilfreich, weil akzeptanzfördernd, und insofern haben auch die einzelnen Komponenten, die wir dort entwickelt haben, für sich einen Wert. Ich bin deshalb beim Blick in die Zukunft, was Verwertungschancen und weitere Umsetzungen angeht, optimistisch.
Stichwort Zukunft: Welche weiteren Ziele haben Sie denn rund um Ihr Projekt?
Wir streben an, das Ganze noch robuster zu machen, um nicht nur geschlossene, überdachte Parkräume, sondern auch Parkplätze unter freiem Himmel bedienen zu können. Zudem denken wir über ein Spin-off für die einfache Lösung ohne Roboterarm nach, um mobile Ladestationen marktgängig zu machen. Mit diesen Themen setzen wir uns gerade intensiv auseinander.
Steckbrief: Dr. Uwe Koenzen ist seit 1991 Inhaber des gleichnamigen Planungsbüros und zudem Geschäftsführer der Broedersdorff & Koenzen GmbH. Sein besonderer Fokus liegt in der Initiierung und Betreuung von F+E-Vorhaben im universitären und KMU-Umfeld. Im Projekt ChargePal war das Planungsbüro Koenzen als Konsortialführer auf organisatorischer und technischer Ebene tätig, während die Hochschule Osnabrück für die Entwicklung der Leistungselektronik und Ladeeinheit einschließlich der mobilen Batterien verantwortlich war. Die Aufgabe des DFKI lag in der technischen Realisierung des Laderoboters. Die User-Schnittstelle als auch die Verbindung zum Parkraummanagement sowie die Entwicklung von weiterführenden Lösungen für die Markteinführung verantwortete die Klose & Oechsle GmbH.
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.