rorarob

Schweißaufgabenassistenz für Rohr- und Rahmenkonstruktionen durch ein Robotersystem

Wenn der Prophet nur unter großen Anstrengungen zum Berg gehen kann, dann kommt der Berg eben doch zum Propheten. Das gilt zumindest für Schweiß-aufgaben bei komplexen Rohr- und Rahmenkonstruktionen, wie sie zum Beispiel bei der Fertigung von Rohrverbindungen für Turbinen oder Rahmenkonstruktionen für Krane und Lastaufzüge vorkommen. Bisher müssen sich die Schweißer die meist schweren Einzelteile mühsam in die richtige Schweißposition heben oder selber zum Schweißen eine Position einnehmen, die dem Körper hohe Belastungen abverlangt.

Ziel des Projekts rorarob ist die Entwicklung eines prototypischen Hardware- und Software-Assistenzsystems (Mehrrobotersystem) zur Bearbeitung von Schweißaufgaben in der Rohr- und Rahmenfertigung, das sich an konkreten Markterfordernissen orientiert.

Die Fertigung von geschweißten Rohr- und Rahmenkonstruktionen kommt im mittelständisch geprägten Maschinen- und Anlagenbau häufig vor. Komplexe "Rohrfiguren" können mit Hilfe des Rohr- und Profilbiegens oder durch mehrere fügetechnisch verbundene Bauteile hergestellt werden. Neben den hohen Investitionskosten für Biegemaschinen führen insbesondere die Veränderung der Wandstärke und die Variantenvielfalt zu technischen Problemen in der für die Branche typischen Einzel- und Kleinserienfertigung. In Folge dessen werden verschiedene arbeitsintensive Schweißverfahren zur Erstellung der Baugruppen eingesetzt.

Typische Problemstellungen dieser Verfahren sind die schwer einzuhaltenden Toleranzvorgaben, hohe Bauteilgewichte, die ausschließlich sequenzielle Fertigung, und dass die Rohrverbindungen häufig noch abschließend an ihrem Bestimmungsort eingepasst werden müssen.

Im Projekt rorarob werden die Werkstücke vom Roboter in eine für den Mitarbeiter günstige Position gebracht und dort positionsgenau gehalten, um nach  folgende Schweißprozesse zu ermöglichen. Weitere unterstützende Funktionen wie beispielsweise das Nachführen der Bauteile während des Schweißprozesses sind denkbar und sollen in der gewählten Anordnung erprobt werden. Anhand von online übertragenen Informationen über die Halbzeuge, Werkstoffe und Werkzeuge können automatisch Empfehlungen für Einstellungsparameter, wie Drahtvorschub und -dicke ausgegeben werden. Ebenso können manuell eingestellte Werkzeugparameter zu einer Anpassung der Bewegungsplanung des Assistenzsystems genutzt werden. Die Gestaltung der Interaktion zwischen Mensch und Maschine unter ergonomischen und ökonomischen Aspekten ist ein wesentliches Ziel des Projektes.

So werden die Mitarbeiter in der Fertigung in die Lage versetzt, parallel zu anderen Fertigungsschritten exakt und ergonomisch optimiert die Konstruktionsvorgaben zu realisieren. Weitere Vorteile sind die Reduzierung der Gesamtherstellungszeit und die Möglichkeit der Anschlussmaßmodellierung zur Anpassung an die Endgeometrie. Die Umsetzung erfolgt nach einer genauen Analyse der Ausgangsbedingungen, wie sie sich derzeit in den Fertigungsabläufen widerspiegeln. Die Informationen fließen in eine Offline-Programmierung zur Simulation der Prozessschritte ein. Ein integriertes Datenkonzept verbindet die Anforderungen der Fertigung und der notwendigen Sicherheitsstrategien für den Einsatz der Robotertechnologie in der Produktion mit einer direkten Mensch-Maschine-Interaktion ohne trennende Schutzeinrichtungen.

Konsortialführer: carat robotic innovation GmbH

Konsortialpartner: Albert Böcker GmbH & Co.KG, MAN Turbo AG, Technische Universität Dortmund – IRPA, Technische Universität Dortmund – APS

Projektergebnisse

Use Case und Wege zur Anwendung

Im Projekt rorarob wurde zusammen mit Industriepartnern ein Roboterassistenzsystem entwickelt, bei dem die Interaktion von Mensch und Roboter und die ergonomische Prozessgestaltung im Mittelpunkt steht. Bisher werden Roboter fast ausschließlich in vollautomatisierten Prozessen eingesetzt. Die schnellen und oftmals nicht vorhersehbaren Bewegungen der Roboter stellen für Menschen ein hohes Gefährdungspotential dar, weshalb Mensch und Roboter in diesen Systemen bisher räumlich voneinander getrennt agieren. Die technischen Fortschritte und eine geänderte Normungslage ermöglichen es nun, Systeme mit einer direkten Mensch-Roboter-Kooperation (MRK) ohne trennende Schutzeinrichtungen aufzubauen und sicher zu betreiben.

Planung und Aufbau des Roboterassistenzsystems werden durch eine Offlinesimulation, ein virtuelles Abbild des Systems, unterstützt. Hierzu wurde ein digitales Menschmodell in eine bestehende Simulationsumgebung implementiert, um während der Bahnplanung des Schweißprozesses frühzeitig mögliche Kollisions-, Quetsch- und Schergefahren zu identifizieren und zu vermeiden. Weiter ermöglicht eine digitale ergonomische Bewertung des Arbeitsablaufes eine Reduzierung der wirkenden physischen Belastungen auf den Menschen. So wird bereits in der Planung eine sichere und bewegungsökonomische Mensch- Roboter-Kollaboration sichergestellt.

Zur Handhabung von Rohr- und Rahmenkonstruktionen in Schweißanwendungen sind Roboter mit hohen Traglasten und Reichweiten erforderlich. Große Roboter weisen hohe bewegte Massen und Geschwindigkeiten auf und stellen so durch die hohe kinetische Energie ein großes Gefahrenpotential für den Menschen dar. Aus diesem Grund wird der Arbeitsraum des Assistenzsystems im Betrieb mit einem Kamerasystem überwacht, dessen Sicherheits-SPS im Falle einer Warn- oder Schutzraumverletzung die Reduktion der Bewegungsgeschwindigkeit oder das Stoppen des Assistenzsystems veranlasst.

Die Gestaltung der Interaktion zwischen Mensch- und Robotersystem unter arbeitsgerechten, sicherheitstechnischen und ökonomischen Aspekten zeigt eindrucksvoll, wie durch angepasste Automatisierungsgrade und eine Kombination der Fähigkeiten von Mensch und Roboter die Flexibilität und Wirtschaftlichkeit von Fertigungs- und Montagesystemen erhöht, die menschliche Arbeitskraft erhalten und eine signifikante Reduktion der physischen Belastung auf den Mitarbeiter erreicht werden kann.

Durch die verwendeten ausgereiften Einzelkomponenten und die industrienahe Entwicklung des Demonstrators, sind die technischen Erfolgsaussichten und die Chancen für eine zeitnahe Weiterentwicklung hin zu einer marktfähigen Lösung hoch. Der Systemanbieter innerhalb des Projektkonsortiums verfügt rund um Roboteranwendungen über eine komplette Organisation vom akquisitorischen Vertrieb, der technischen Klärung und Projektierung, dem Angebots- und Schulungswesen, der Inbetriebnahme und dem Service. Dementsprechend liegt eine sehr gute Basis vor, um sowohl das Projekt sehr erfolgreich abzuschließen als auch das neu entwickelte Roboterassistenzsystem mittelfristig am Markt entsprechend zu platzieren. Im Bereich der prospektiven Planung, insbesondere die virtuelle Abbildung der Mensch-Roboter Kollaboration in einem Offlineprogrammiersystem, bieten sich über das Projekt hinaus vielfältige Ansätze zur Weiterentwicklung. Hier ist die Übertragung auf andere robotergestützte Arbeitssysteme mit anderen Fertigungsverfahren in Planung (Kleben, Bestücken, Montieren, Schrauben, etc .). Ebenso wird auch die Simulation einer rein manuellen Tätigkeit mit Hilfe einer Humansimulation angestrebt.

Das Ziel, ein universal programmier- und flexibel einsetzbares Assistenzsystem zu entwickeln, das einen kollaborierenden Betrieb von Mensch und Roboter vorsieht und das es ermöglicht, die bisher noch rein manuellen Prozesse in mehreren Stufen unter Einsatz der Robotertechnik zu automatisieren, bietet die Perspektive, in Zukunft belastungsreduziert und wirtschaftlich zu arbeiten und dabei gleichzeitig die Qualität der Prozesse und Produkte zu erhöhen . Gerade durch die Integration eines Menschmodells in Verbindung mit einer prospektiven ergonomischen Analyse in eine Offlineprogrammierumgebung wird es auch für kleine und mittelständische Unternehmen möglich sein, Arbeitssysteme mit direkter Mensch-Roboter Kollaboration zu planen und menschliche Bewegungsabläufe hinsichtlich der herrschenden körperlichen Belastung zu untersuchen .

Ansprechpartner rorarob

Projektleitung
carat robotic innovation GmbH
Joseph-von-Fraunhofer-Straße 20
44227 Dortmund
Tel: +49 (0)231 9700-151
Fax: +49 (0)231 9700-468

Prof. Dr.-Ing. Gerd Grube
Tel: +49 (0)231 9700-160
E-Mail

Weiterführende Informationen

Weitere Informationen zum Projekt rorarob und seinen Ergebnissen finden Sie in den Leitfäden, hier insbesondere in

Band 1, Autonome und simulationsbasierte Systeme für den Mittelstand

Band 5, Multimediale Sensorik-Konzepte der Umwelterkennung/-modellierung.