motionEAP

System zur Effizienzsteigerung und Assistenz bei Produktionsprozessen

Projektbild-motion EAP
© KD Busch/Hochschule Esslingen

Kurzsteckbrief

Permanente Qualitätskontrolle und IT-gestützte Hilfen bei einzelnen Arbeitsschritten sind Industriearbeitern längst vertraut. Bestehende Assistenzsysteme setzen aber etwas spät ein. Etwa, wenn die fertige Schweißnaht überprüft wird und dabei Fehlstellen zutage treten. Besser wäre es, einen Arbeiter unmittelbar bei seiner Arbeit darauf hinzuweisen, dass er im Begriff ist, einen Fehler zu begehen. Teure Nachbesserungen und Ausschuss ließen sich vermeiden und nebenbei die Motivation des Mitarbeiters erhöhen, weil er verlässlich gute Arbeit abliefert.

Das Projekt motionEAP hat dafür ein System zur Effizienzsteigerung und Assistenz bei Produktionsprozessen in Unternehmen auf Basis von Bewegungserkennung und -projektion konzipiert, entwickelt und erprobt. Per Kamera und Abstandssensor erfasst das System die Aktionen des Mitarbeiters und weist ihn auf Probleme und Verbesserungspotenziale hin. Ebenso weist es auf ergonomisch ungünstige Bewegungen und Haltungen hin. Neben der technischen Entwicklung liegt ein Schwerpunkt des Projektes auf psychologischen und arbeitsethischen Fragen, die sich aus den neuen Interaktionsformen ergeben.

Szenario

Zur Entwicklung des Systems mussten zunächst bereits bestehende und bekannte Methoden der optischen Bewegungs- bzw. Objekterkennung mit Videokameras und Tiefensensoren an die Anforderungen in Produktionsumgebungen angepasst werden. Neben der Motorik des Körpers sollten zudem über eine Analyse der Gesichtsmimik auch die Emotionen des Werkers erkannt werden. Der allgemeine Zustand des Werkers sollte dadurch erfasst werden, ob möglicherweise aufgrund von Erschöpfung oder Müdigkeit ein anderer Mitarbeiter an dessen Stelle eingesetzt werden solle, damit fehleranfällige Stresssituationen vermieden werden können. Eine wichtige Voraussetzung war, dass Kameras und Sensoren weder die Werker, noch den Materialfluss behindern durften. Außerdem sollten bei der Projektion im Arbeitsbereich keine Laserprojektoren eingesetzt werden, sondern lichtschwächere LED-Geräte, die entsprechend optimiert werden mussten.

Eine ebenso große Bedeutung wie diese technischen Fragestellungen hatten arbeits- und motivationspsychologische Aspekte. Es war eine zentrale Anforderung des Projekts, einzelne Werker durch das Assistenzsystem weder zu unterfordern noch zu überfordern. Im Projekt wurde zudem erstmals erprobt, wie sich spielerische Elemente und Methoden in industrielle Assistenzsysteme integrieren lassen (Gamification) und wie auf diese Weise Arbeitsfreude und Motivation beeinflusst werden können. Dabei zeigte sich, dass vor allem ungeübte und leistungsgeminderte Arbeiter mit Gamification Konzepten wirksam unterstützt werden, während erfahrene Arbeiter in der Regel keine weiteren Anreize benötigen. Eine Herausforderung bleibt die Messung der körperlichen und geistigen Belastbarkeit des Montagearbeiters. Die Erkennung des emotionalen Zustands per Gesichtserkennung und das Assessment der kognitiven und motorischen Fähigkeiten über Testspiele wurden erprobt, reichen für den professionellen Einsatz aber noch nicht aus.
Eine eigenständige ethische Begleitung des Projekts sorgte dafür, dass Aspekte wie Datenschutz oder persönliche Autonomie und Privatheit am Arbeitsplatz während des Vorhabens berücksichtigt werden.

In der Praxis wurde das System von motionEAP mit mehreren Einsatzszenarien erprobt. In einer Behindertenwerkstatt sowie in einer Automobilproduktion wurde zunächst ein Trainings- und Fortbildungssystem für Montagearbeitsplätze, das per Videokamera und Infrarottiefensensor die individuellen Leistungsdaten des Anwenders erfasst und das System darauf ausrichtet, eingesetzt. Dabei wurde der Anwender dann über eine Projektion direkt am Arbeitsbereich (in-situ) auf etwaige Fehler hingewiesen. Ebenso wurde das System in einen Fertigungsarbeitsplatz integriert, an dem auch häufige Produktwechsel stattfinden. Dabei wurden komplexe Bewegungsabläufe der Hände und Arme erkannt und auch verschiedene Bewegungsstile, etwa unterschiedlich schnelle Handbewegungen, zugelassen.

Eine weitere Anwendung fand in einer Produktion statt, in der Bauteile als Vorarbeit einer Montage zusammengestellt wurden. Anders als bei heutigen Pick-by-Light-Systemen wurde der Mitarbeiter nicht nur mit Lichtsignalen auf den jeweiligen Lagerort der Teile aufmerksam gemacht, sondern auch auf Fehlgriffe hingewiesen. Im letzten Szenario wurden schließlich mehrere Werker in einer Montagezelle, also dem Zusammenschluss mehrerer Montagetische, unterstützt.

Wege in die Praxis

Die in motionEAP erarbeiteten Konzepte erlauben es erstmals, mit Assistenzsystemen auch direkt in Echtzeit die Ausführung händischer Arbeiten in der Industrieproduktion zu begleiten und nicht nur das Endergebnis zu kontrollieren oder allgemeine Hilfestellungen anzuzeigen. Der unterschiedliche Leistungsgrad von Mitarbeitern wird durch das System berücksichtigt, welches so dem Werker eine wirkungsvolle Unterstützung bei der Ausführung manueller Tätigkeiten anbietet. Insbesondere in Behindertenwerkstätten wie dem Projektpartner GWW stieß dieser Ansatz schon nach den ersten Präsentationen auf Fachmessen auf sehr großes Interesse. Aber auch für die generelle Einarbeitung von Mitarbeitern in neue Arbeitstätigkeiten hat motionEAP große Potenziale. Der Projektpartner Schnaithmann, ein Systemlieferant der Automatisierungstechnik, wird die im Projekt erarbeiteten Konzepte und Systeme zur Industrietauglichkeit weiterentwickeln und am Markt vertreiben.

Insbesondere für Unternehmen in der industriellen Produktion und deren Mitarbeiter wird die Bewegungserkennung zusammen mit den Assistenzsystemen und neuen Projektions- und Displaytechnologien zu einem unentbehrlichen Element. Durch die Anreicherung der Arbeitsprozesse mit virtuellen Informationen (Augmented Reality) wird die Effizienz und Qualität von Arbeitsabläufen ungemein gesteigert. Zudem stellt sich auch bei den Mitarbeitern eine größere Zufriedenheit ein, da sie weniger fehleranfällig sind.

Konsortialpartner: Audi AG (Konsortialführer), BESSEY Tool GmbH & Co. KG, Hochschule Esslingen, Gemeinnützige Werkstätten und Wohnstätten GmbH, Universität Stuttgart, KORION Simulation & Assistive Technology GmbH, Schnaithmann Maschinenbau GmbH

Ansprechpartner

Universität Stuttgart

Prof. Dr. Albrecht Schmidt

Homepage: MotionEAP