Meldung
22.07.2022

Forum für elektromobile Logistik in Thüringen: Der SMART CITY LOGISTIK-Kongress

Vor neun Jahren fand der erste SMART CITY LOGISTIK Kongress in Thüringen statt. Seitdem ist das jährliche Treffen der Logistikexpertinnen und -experten mit Schwerpunkt Elektromobilität nicht mehr wegzudenken. Der jährliche Kongress ist ein praxisnahes Forum rund um Chancen und Herausforderungen der elektromobilen Logistik und wurde 2013 aus dem gleichnamigen Forschungsprojekt entwickelt. Es bringt regelmäßig Wissenschaftler, Fahrzeugentwickler sowie Menschen aus der Praxis im Forschungsbereich der Stadtlogistik zusammen und beleuchtet unterschiedliche Aspekte der innerstädtischen Logistik. Im Fokus stehen der praktische Fahrzeugeinsatz, neue Fahrzeugkonzepte, unterstützende Technologien & Software sowie Ladetechnik. Auch weitere Forschungsprojekte aus dem BMWK-Technologieprogramm „IKT für Elektromobilität“ sind regelmäßige Gäste der Konferenzreihe.

Smart City Logistik Kongress

Großprojekt im Bereich der Paketdienste in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt

Eröffnet wurde der Kongress durch Dr. Harald Hempel, Leiter des Bereichs Innovation und Forschung beim Konsortialführer DAKO GmbH. Er stellte das hauseigene Forschungsprojekt SMART MULTI-USE LOGISTIK (SML) vor, das sich auf Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) basierende Innovationen bei Fahrzeugtechnik, wirtschaftlichen und ökologischen Flotten- und Logistikkonzepten, kooperative Plattformtechnologien sowie die Einbindung von Elektrofahrzeugen in bestehende Fuhrparks spezialisiert hat. Das Projekt, welches mit vielen Partnern aus der Logistikbranche im Team gemeinsam umgesetzt wird und Teil des BMWK-Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“ ist, habe laut Dr. Hempel inzwischen alle wichtigen Hürden genommen und die notwendigen Strukturen geschaffen, um jetzt weitere Partner in das Projekt integrieren zu können. Er gab einen Einblick in die Ergebnisse und die Herausforderungen des laufenden Projekts, das im Verbreitungsgebiet Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt einen zentral und digital gesteuerten Paketsendungsaustausch mit den Projektpartnern betreibt. Dies könne zum einen dabei helfen, Paketsendungssteuerung- und zustellung auch in anderen großen Einzugsgebieten weiter zu optimieren und zum anderen durch den erfolgreichen Einsatz autonomer Fahrzeuge dem Problem des Fahrermangels entgegenzuwirken.

Wie „Deep Learning“ die Paketzustellung- und Abholung revolutionieren kann

Prof. Dr. Nils Boysen, Experte im Forschungsbereich Operations Management und Algorithmik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, referierte in seinem Vortrag, was künstliche Intelligenz (KI) in unserem Alltagsleben heute schon leisten kann und wie dies im vorgestellten Projekt SML bereits Anwendung findet. Er zeigte auf, wie KI beispielsweise dabei hilft, bestehende Transportrouten effizienter umzusetzen bzw. neue kostensparende Routen zu finden. Dies werde möglich, in dem mittels „Deep Learning“ die Algorithmen „angelernt“ werden. Das lernende System könne im Anschluss mit bis zu 98%-iger Wahrscheinlichkeit die jeweiligen Tourkosten berechnen und so die Voraussetzungen für einen hoch effizienten Sendungsaustausch möglich machen.

Mit App, Tourplaner und geschulten Mitarbeitenden Logistikkosten einsparen

Ein weiteres Praxisbeispiel im Bereich Paketlogistik stellte Ken Hollmann von der Leipzig Logistik GmbH vor. Er berichtete, wie sein Logistikunternehmen seit Sommer 2021 die Paketzustellung und -abholung im Testgebiet Delitzsch erfolgreich mit der bisher bereits angebotenen Briefzustellung kombiniert hat und dank einer damit verbundenen höheren Auslastung der Zustellfahrzeuge auf den Strecken weitere Kosteneinsparungen erzielt und auch Services ausgebaut hat. Dies wurde u.a. dadurch möglich, dass die in den Fahrzeugen integrierte Tourenplanungssoftware und eine dazugehörige App, die Zustell- und Abholprozesse dokumentiert, den neuen Bedürfnissen angepasst wurde und Mitarbeitende hinsichtlich der Prozesse geschult wurden, so Hollmann.

Lastenfahrräder für den urbanen Transporteinsatz nicht mehr wegzudenken

Dass innerstädtischer Transport und Lastenfahrrad heutzutage unbedingt zusammengehören, unterstrich Stefan Kruschel von der BAYK AG. Ursprünglich hatte sein Unternehmen nur die Entwicklung von Fahrradtaxis als bewegliche Werbefläche im Blick. Sein Entwicklerteam ging dann aber noch einen Schritt weiter und begann mit der Produktion von Schwerlastfahrrädern mit Elektromotor. Die von seinem Unternehmen neu entwickelten Cargobikes für den urbanen Raum könnten dank großer Ladefläche und hoher Wendigkeit eine echte Alternative zu herkömmlichen Transportfahrzeugen in den Stadtzentren werden und dazu noch Werbefläche und Transport miteinander kombinieren. Auch Nick Kempka und Leon Imeri von der Fulmo Kurierunion GbR stellten auf der Konferenz ihren Betrieb für Radlogistik vor, der in Leipzig per Lastenrad Waren unterschiedlichster Art (bis zu 250kg) transportiert. Sie gaben Einblicke in die Arbeit des Citylogistik-Unternehmens, das sich als Mitarbeitenden-Kollektiv versteht und erläuterten, wie sie die Herausforderungen hinsichtlich Personalbedarf, fairer Entlohnung, notwendiger IT-Infrastruktur und Abstimmungsprozessen angehen und wie sie eine Ausweitung ihres Angebots anstreben.

Entwicklung reichweitenstarker großer E-Fahrzeuge hat hohe Bedeutung für die Logistikbranche

Gerd Seber vom Paketdienstleister DPD, der ebenfalls Lastenräder in der City für den Transport einsetzt, verwies auf die Notwendigkeit größerer Lieferfahrzeuge. Zu diesen gäbe es derzeit noch keine Alternative, da zum einen das Auftragsvolumen für Sendungen im Bereich des Lastenradtransports noch zu gering sei und zum anderen, weil die damit transportierbare Last begrenzt sei. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die gesammelten Erfahrungen aus vorangegangenen Projekten mit Schwerpunkt emissionsfreier Zustellung. Seber sprach sich für eine konsequente Förderungspolitik seitens des Bundes aus und betonte die wichtige Rolle der Fahrzeughersteller bei der Entwicklung von reichweitenstarken E-Fahrzeugen mit großem Ladevolumen sowie die der Kommunen hinsichtlich geeigneter Ladeinfrastruktur und Depotflächen.

„Hub and Spoke“-Ansatz für eine erfolgreiche „Letzte Meile“

Im Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Hartmut Zadek, Otto-von Guericke-Universität Magdeburg ging es um das Thema „Letzte Meile“ und den damit verbundenen Paradigmenwechsel im Bereich der Logistik. Am Beispiel des Projekts Paket-KV-MD – mit dem in Magdeburg ein nachhaltiger Paketdienst mittels kombinierten Verkehrs auf der letzten Meile getestet wird – stellte er die damit verbundenen Herausforderungen heraus. Insbesondere mit Fokus auf die Ziele Emissionsreduzierung und Wirtschaftlichkeit, die beide immer in den Blick des Projekts gehörten und stets Teil des Gesamtkonzeptes sein müssten. Der im Projekt Paket-KV-MD verfolgte sogenannte „Hub and Spoke“-Ansatz – d.h. die sternförmige Anordnung von Transportwegen bzw. ein Netz aus einem zentralen Hub und verschiedenen Micro Hubs – ermögliche es im Testgebiet Magdeburg, das Kunden ihre Pakete auf der letzten Meile per Lastenrädern zugestellt bekommen oder sie diese direkt beim Micro-Hub abholen können, so Prof. Zadek.

Nachhaltige Logistik braucht ganzheitliches Geschäftsmodell

Über die Vorteile des nachhaltigen Warentransports per Lastenrad über ein zentrales Hub berichtete auch Frank Schmähling von der memo AG. Sein Unternehmen, das seit 1989 nachhaltig und fair produzierte Waren im Versand anbietet, lässt diese über Transportboxen (auf Leihbasis) in 13 großen Städten über Logistikpartner zum Kunden liefern. Er berichtete, dass beispielsweise die Bereitstellung der Sendungsinformation mit den Logistikpartnern über die Programmierschnittstelle – im Fachjargon API genannt – viele Vorteile bringe, da so der Versand der Transportboxen insgesamt gut geplant und verlässlich umgesetzt werden kann. Christian Teichmann von der NaKoRegio GmbH & Co. KG erläuterte die Herausforderungen nachhaltiger Logistik aus Sicht eines Lebensmittelgroßhändlers, der den Versand mittels alternativer Antriebskonzepte erfolgreich realisierte. Teichmann betonte in seinem Vortrag die Bedeutung eines ganzheitlichen Geschäftsmodells und eines graduellen Wandels bei der Umstellung eines Unternehmens auf Nachhaltigkeit. Sein Erfolgsrezept seien neben guten Kontakten zu regionalen, ökologischen Produzenten auch die effiziente Bündelung der Warenströme und eine zentrale Auslieferung per E-Fahrzeuge an die Geschäfte des Lebensmitteleinzelhandels.

Der Weg zu einer geeigneten Ladeinfrastruktur und was zu beachten ist

Dr. Ola Pronobis von der Intelligent Energy System Services GmbH setzte in ihrem Vortrag den Schwerpunkt auf die Bedeutung einer funktionierenden Ladeinfrastruktur für die Logistikbranche und sprach sich diesbezüglich auch für einen ganzheitlichen Ansatz aus. Dieser müsse bereits mit der Etablierung des Geschäftsmodells die wichtigsten Punkte für die Ladeinfrastruktur beinhalten, wie beispielsweise politische und baurechtliche Vorgaben, technische Entwicklungen oder auch die Wahl der passenden Fahrzeugflotte. Sie erklärte, welche Herausforderungen gemeistert werden müssen und welche Hindernisse und Fehlerquellen beim Aufbau einer geeigneten Ladeinfrastruktur auftreten können und wie man sie löst.

Der zweite Kongresstag stand dann ganz im Zeichen der Workshops zum Themenbereich Elektromobilität und Stadtlogistik. Die Kongressteilnehmenden analysierten und diskutierten in den angebotenen Workshops die mit den vorgestellten Projekten verbundenen Chancen und Herausforderungen. Der SMART CITY LOGISTIK-Kongress zeigte erneut, welch wichtige Bedeutung die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Vertretern aus der Praxis für die Entwicklung von wirtschaftlichen Lösungen in der elektromobilen Logistik hat.