Kommunikationstechnologien

Moderne Kommunikationstechnologien und Innovationen im Mobilfunk haben vor allem in den beiden zurückliegenden Jahrzehnten massive Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft bewirkt. Die Dynamik dieses Bereichs setzt sich fort. Aktuell zeichnen sich bereits neue, ineinandergreifende Trends ab:

  • Evolution der 5G- zur 6G-Mobilfunktechnologie: Anwendungsseitig im Vordergrund stehen dabei erweiterte Möglichkeiten der drahtlosen Vernetzung von Endgeräten wie bspw. Maschinen in Fabriken und darüber hinaus in der Mensch-Maschine-Interaktion. Niedrige Latenzzeiten, hohe Datenraten und hohe Zuverlässigkeit bilden die Basis für neue Anwendungen und Geschäftsmodelle; diese finden sich in Sektoren wie Produktion und Intralogistik (Industrie 4.0), Medizintechnik, Bauwesen, Schutz- und Rettungswesen, Verkehr und Logistik oder der Medien- und Veranstaltungsbranche.
    Die Zukunft lässt mit „5G Advanced“ bzw. 6G weitere Anwendungsmöglichkeiten erwarten. Die „Gemeinsame Funk-Kommunikation und -Sensorik („Joint Communication and Sensing“) unterstützt z. B. die mobile Robotik und das koordinierte autonome Fahren. Ein aktuelles Forschungsfeld sind auch nicht-terrestrische Netze (NTN), die weit oberhalb der Erdoberfläche operieren und ein Netz aus Satelliten (niedrige, mittlere und geostationäre Erdumlaufbahnen) sowie Höhenplattformen (HAPS) und Drohnen bilden. Die hierzu nötigen Technologien sowie andere technische Neuerungen (offene disaggregierte Netzarchitekturen, Software-defined Networking SDN als Ersatz proprietärer Hardware, fortschreitende RAN-Core-Konvergenz, Multi-Access Support) sind bereits heute Gegenstand der Standardisierung. 
  • Private Mobilfunknetze/Campus-Netze: Bei der Bereitstellung von Mobilfunkfrequenzen für nicht-öffentliche Netze nimmt Deutschland eine Vorreiterrolle ein. Solche eigenständigen 5G-Mobilfunknetze etwa in Fabriken oder Kliniken, auch Campus-Netze genannt, ermöglichen eine bessere Adaption an spezifische Anforderungen vor Ort, im Gegensatz zur Nutzung öffentlicher Netze mit standardisierten Funktionen (siehe Projekt CampusOS). Darüber hinaus können solche privaten Netze maßgeblich dazu beitragen, die Hoheit über eigene Daten zu bewahren und die digitale Souveränität von Unternehmen zu stärken.
    Die Erschließung dieses Segments ist mit hohen Erwartungen an die Entstehung eines neuen, spezialisierten Anbieter- und Dienstleistungsmarkts verbunden, mit neuen Standortperspektiven für Deutschland und Europa. Chancen zeichnen sich vor allem auch für Startups und bisher nicht im Mobilfunksektor vertretene Unternehmen ab.
  • Offene Schnittstellen (Open RAN): Vor allem kleinere Netzausrüster (OEM) und Netzbetreiber (MNO) setzen sich dafür ein, Schnittstellen von Funkzugangsnetzen zu öffnen. Eine besondere Rolle spielen dabei zudem neue Möglichkeiten, Funktionen des software-basierte Netzwerkes (SDN) über Cloud-Lösungen bereitzustellen. Für Netzbetreiber geht es um mehr Flexibilität und Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern sowie um Kostenreduzierung.
    Diese sich abzeichnende Entwicklung lässt substanzielle Veränderungen im Anbietermarkt erwarten. Einerseits geht es um Marktchancen auch für neue Anbieter von Kommunikationstechnologien, da die Abhängigkeit von wenigen, weltweit bestimmenden Anbietern abnimmt. Andererseits ist zu erwarten, dass bei Software weltweit dominierende Anbieter rasch in Konkurrenz treten werden. Ein wichtiger Ansatz für die benötigte Interoperabilität der Komponenten und Lösungen ist die Entwicklung von Open Source (siehe Projekt 5G-OPERA).

Zahlen und Fakten

  • Die Zahl der weltweiten Campusnetz-Installationen steigt kontinuierlich und liegt aktuell bei rund 1.300 (Wert > 100.000 €), wie der Monitoringbericht „Campusnetze zeigt.
  • Eine 2023 publizierte Markt-Analyse von „Custom Market Insights beziffert den Marktwert von 5G-Campusnetzen in Europa auf 1,13 Mrd. USD und prognostiziert eine jährliche Wachstumsrate von 12,2 Prozent.
  • Nach Schätzungen des Europäischen Rechnungshofs könnten die Technologien dazu beitragen, dass das europäische Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 2021 und 2025 um bis zu einer Billion Euro wächst. Dies würde für bis zu 1,2 Millionen neue Arbeitsplätze in sämtlichen Bereichen der deutschen Wirtschaft sorgen.
  • Grundlegend für die evolutionäre Entwicklung der Kommunikationstechnologien sind seit 1998 (GSM) die Spezifikationen der 3GPP, eines weltweiten Verbunds von sieben Standardisierungsorganisationen im Bereich des Mobilfunks. 3GPP veröffentlicht Zeitpläne für die Erarbeitung und Finalisierung von Spezifikations-Releases, an denen sich die Entwicklung orientiert. Release 17 (10.06.2022) und Release 18 (Finalisierung Q1/2024) sorgen für zahlreiche Optimierungen im Bereich der 5G-Technologien. Seit dem Jahr 2021 werden bereits Zukunftsentwürfe für die 6G-Kommunikation diskutiert. Bei Release 18 spricht man vom Zwischenschritt „5G Advanced“. Der Arbeitsplan für das Pre-6G-Release 19 wurde im Dezember 2023 festgelegt. Der 6G-Standard mit Release 21 wird voraussichtlich im Jahr 2030 für die Umsetzung in Produkte und Anwendungen bereitstehen.
  • Grundlage für Campusnetze in Deutschland ist eine Neufassung der Frequenzordnung durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) bzw. die Vergabe von Frequenzen im Bereich 3.700 - 3.800 MHz (Lokales Breitband). Für den Betrieb von Campusnetzen stellt die BNetzA nationale Nummernressourcen bereit. Bislang gingen insgesamt über 360 Anträge auf Zuteilung von Frequenzen für private 5G-Netze ein und es fanden 355 Zuteilungen durch die Bundesnetzagentur statt. Über die Jahre ist ein kontinuierlicher Anstieg von ca. 12% pro Jahr zu verzeichnen. Daneben teilt die BNetzA seit 2022 auch Frequenzen im Spektrum um 26 GHz zu, deren Nutzung nicht auf ein Grundstücksnutzungsrecht und innerbetriebliche Zwecke beschränkt ist. Diese Frequenzen können auch für öffentliche Telekommunikationsdienste eingesetzt werden. Anträge wurden bisher aber nur in ca. 20 Einzelfällen gestellt.

Fördermaßnahmen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK

Im Rahmen der Gigabitstrategie der Bundesregierung engagiert sich das BMWK vor allem für die Weiterentwicklung von 5G-Campusnetzen und den Aufbau eines entsprechenden Ökosystems, das eine schnelle und kosteneffiziente Planung und Implementierung solcher Netze unterstützt. Dies erfolgt im Wesentlichen im Rahmen des nationalen Förderschwerpunkts 5G-Campusnetze (Leitprojekt CampusOS und 6 Anwendungsprojekte) sowie in Kooperationsprojekten (Leitprojekt 5G-OPERA und 7 Anwendungsprojekte) mit französischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen.

Ein wichtiger Ausgangspunkt der aktuellen Fördermaßnahmen sind Ergebnisse des im Zeitraum 2017 bis 2020 durch das BMWK geförderten Leuchtturmprojekts IC4F – Industrial Communication for Factories (IC4F). Im Projekt wurden eine Referenzarchitektur sowie ein Technologiebaukasten für 5G-Netze in der verarbeitenden Industrie entwickelt und in der Praxis erprobt. In IC4F wurden so wesentliche Grundlagen geschaffen, auf denen die nun angestrebte Entwicklung eines Campusnetz-Ökosystems aufbauen soll, von dem gleichermaßen Technologieanbieter und -anwender profitieren.

Anwendungsfelder für 5G-Campusnetze
Nachstehend wird die spezifische Nutzung von 5G-Mobilfunktechnologien und im speziellen von 5G-Campusnetzen in den Sektoren Produktion und Intralogistik (Industrie 4.0), Medizintechnik, Bauwesen, Zivilschutz- und Rettungswesen, Verkehr und Logistik sowie der Medien- und Veranstaltungsbranche skizziert.

Produktion und Intralogistik: Im Produktionsumfeld fokussieren die Anwendungen auf die Vernetzung von Sensoren, Geräten und Maschinen zu einem „Internet der Dinge“ (Internet of Things/IoT). Bereits heute ist die Anzahl der vernetzten Geräte im Internet der Dinge höher als die Zahl menschlicher Internetnutzer. Die niedrigen Latenzzeiten der 5G-Technologie ermöglichen eine nahezu verzögerungsfreie Übertragung. Zusätzlich erreicht der Datentransfer annähernd die Zuverlässigkeit von kabelgebundenen Verbindungen. Damit wird auch „kritische Kommunikation“ in Echtzeit per Funk möglich (siehe Projekte stic5G, Maveric, 5G++ flexicell und 5GILabB). Dies gilt für einen ferngesteuerten Kran genauso wie für eine Produktionsanlage (vgl. CampusOS Referenztestfelder). Flexibilität ist ein weiterer Vorteil von 5G-Anwendungen. Bisherige Steuerkabel können durch die drahtlose 5G-Vernetzung entfallen. Fixe Elemente in der „5G/6G-Fabrik der Zukunft“ sind nur noch Wände und Boden. Die erforderliche Anlagentechnik lässt sich flexibel, entsprechend wechselnder Erfordernisse anordnen. Im Rahmen der Intralogistik unterstützen 5G-Campusnetze die Einbindung und Steuerung fahrerloser Transportsysteme (AGVs) in Produktionsabläufe, wobei in der Praxis noch eine Reihe von Herausforderungen, etwa im Bereich der Zeit-Synchronisierung zu lösen sind („Time Sensitive Networks“, TSN - siehe z.B. Projekte Ticctec, CampusDynA und EmKoI4.0) . Neue Möglichkeiten ergeben sich weiterhin in der Visualisierung von Arbeitsprozessen etwa durch komfortabel nutzbare, drahtlose Datenbrillen (Augmented Reality/Virtual Reality).
Die Vorteile eines offenen Konzepts (siehe Projekt CampusOS) liegen darin, dass sich Anwendungs- und kundenspezifische Netzwerke betreiben lassen, die die Anforderungen an Skalierbarkeit, Verwaltbarkeit und Integration in der jeweiligen OT-Umgebung erfüllen. Weitere zentrale Anliegen sind Verlässlichkeit und Verfügbarkeit der Komponenten.

Medizintechnik: Digitale Anwendungen in Kliniken und Arztpraxen versprechen eine deutliche Verbesserung der Patientenversorgung, etwa durch intelligente und vernetzte Operationssäle, mit echtzeitfähigen bildgebenden Verfahren und automatisierter Datensynchronisation von medizintechnischen Geräten unterschiedlicher Hersteller (siehe Projekte Klinet5G, 5G OR und 5G FORUM). Dabei bestehen, etwa in der zukunftsweisenden Telechirurgie, besonders hohe Anforderungen an Dienstequalität, Latenz, Sicherheit, Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit. 5G-Campusnetze können hier einen wichtigen Beitrag leisten, um die Digitalisierung in diesem besonders sensiblen Umfeld voranzubringen. Neben speziellen Funktionalitäten geht es um die Integration auch drahtgebundener Medizingeräte ebenso wie die Beachtung von Störeinflüssen auf Geräte durch Funksignale.

Verkehr und Logistik: Mit dem Einsatz der 5G-Technologie lassen sich aus einer Funkzelle mehrere virtuelle Netze für unterschiedliche Anwender abtrennen („5G Network Slices“), wie sie z. B. Flughäfen benötigen (Verkehrskontrolle, Infrastruktursteuerung, Intralogistik, Sicherheitsdienste). 5G-Campusnetze können damit dynamisch und flexibel an die spezifischen Anforderungen der jeweiligen Anwender und Nutzungsszenarien angepasst werden (siehe Projekte 5G4BP).

Eine Sonderrolle nimmt der europäisch harmonisierte Bahnfunkstandard FRMCS ein, welcher als nicht-öffentliches 5G-Funknetz der Eisenbahn ein Campusnetz ohne räumliche Begrenzung darstellt. FRMCS wird als Nachfolger von GSM-R eine hochleistungsfähige und drahtlose Echtzeitkommunikation zwischen Zügen und Infrastruktur sicherstellen und somit einen wichtigen Beitrag für die Weiterentwicklung des Bahnsektors hin zu mehr Digitalisierung sowie Automatisierung leisten. Dies führt u. a. zu einer gesteigerten Kapazität der Bahnverkehrsleistung (siehe Projekt 5G-RACOM).

Bauwesen: 5G-Anwendungen werden zunehmend auch für den Bereich der Baustellenlogistik interessant, etwa für die Koordinierung der vielfältigen Arbeitsabläufe und beteiligten Partner. Mit Hilfe echtzeitnaher Aggregation und Analyse von Sensor-, Positions-, Video-/Radar-3D Daten wird ein virtuelles Abbild der Baustelle („Baustellenzwilling“) erzeugt, welches eine fortwährende Zustandsüberwachung von Bauobjekten ermöglicht. Weitergehende Anwendungsmöglichkeiten bieten sich für die Baustellensicherheit und den Arbeitsschutz, etwa zur frühzeitigen Erkennung von Gefahren und unmittelbaren Einleitung von Maßnahmen (Not-Aus von Maschinen, Warnung etc.). Darüber hinaus können 5G-Campusnetze auch zur Absicherung von Baustellen vor Diebstahl genutzt werden.

Nomadische Netze: Ein zukünftiges 5G-Anwendungsfeld für nomadische – d. h. mobile bzw. nicht ortsgebundene - 5G-Zellen („Nodes”) ist der Einsatz in der Land- und Forstwirtschaft. Sie stellen eine spezielle Form von Campusnetzen dar, die insbesondere an den Erfordernissen und Möglichkeiten kleiner und mittlerer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ausgerichtet sein müssen. Eine weitere Perspektive im Bereich der Land- und Forstwirtschaft bieten sogenannte Multi-Operator-Netzwerke, bei denen sich mehrere landwirtschaftliche Betriebe die 5G-Infrastruktur teilen und in denen 5G-fähige Geräte für das öffentliche Funknetz (d. h. mit der SIM eines Netzbetreibers) genutzt werden können. Auch die Rettungskräfte der Zukunft können von nomadischen 5G-Campusnetzen profitieren (siehe Projekt O5G-N-IoT): da hier jede Sekunde zählt, ist es das Ziel, portable 5G-Systeme zu schaffen, die sehr schnell eine Kommunikationsinfrastruktur selbst ausbringen und die nötige Infrastruktur für den Einsatz bereitstellen.

Weitere Anwendungsfelder liegen beispielsweise in der anforderungsgerechten Abdeckung von Technologieparks und der Anbindung abgelegener Kommunen, in der Energieversorgung sowie für Smart Cities. Ausführlich hat das Projekt CampusOS die Anforderungen und Perspektiven von 5G-Campusnetzen in unterschiedlichen Anwendungsszenarien in einem Whitepaper dargestellt.

Anwendung weiterer Kommunikationstechnologien

Für spezifische Anwendungszwecke wird, neben den an der 3GPP-Standardisierung orientierten 5G-Campusnetzen, auch an der Anwendung anderer Funktechnologien gearbeitet.

  • Einen Ansatz für eine zuverlässige und für Anwender einfach zu handhabende Technologie bietet der Standard DECT-2020 NR. Er ist von der ITU-R als 5G-Standard für ultra-niedrige Latenzzeiten („URLLC“) und die Vernetzung einer großen Zahl an Funktionskomponenten und (IoT-)Geräten (Machine Type Communication/mMTC) international anerkannt. DECT-2020 NR hat die Perspektive, 5G-Privatnetze für jedermann möglich werden zu lassen und wird aktuell in Anwendungen für Live-Konzerte oder Videoproduktionen erprobt (siehe Projekt MERCI)
  • Li-Fi ist eine optische Technologie zur Datenübertragung. Die LiFi-Technologie ergänzt oder ersetzt Kabelverbindungen oder Funk, sie kann über die Ausnutzung des optischen Spektrums für höhere Datenraten auf kleinen Flächen und in Gebäuden sorgen. In durch Li-Fi erweiterten 5G Netzwerken könnten z.B. in der Produktion oder in der Intensivmedizin störende Kabel durch drahtlose Verbindungen ersetzt werden. Li-Fi hat zudem das Potenzial höhere Sicherheit und mehr Zuverlässigkeit zu gewährleisten, z. B. bzgl. elektromagnetischer Verträglichkeit (siehe Projekt LincNet).

Quellen: