Meldung
14.12.2015

Smart Data im Mobilitätssektor: Interview mit Uwe Gabriel vom Projekt iTESA – intelligent Traveller Early Situation Awareness

Ob Naturkatastrophen oder Epidemien, Terroranschläge oder politische Unruhen: Reisen bergen stets auch Risiken. Im Chaos einer Krise dauert es oftmals lange, bis sich Unternehmen aus einzelnen Informationen ein vollständiges Bild der Gefahrenlage vor Ort machen und entsprechend zum Schutz ihrer Mitarbeiter vor Ort handeln können. Mithilfe der intelligenten Auswertung von Daten sollen in Zukunft bereits beim unmittelbaren Eintritt einer Krise Risiken weltweit identifiziert und automatisch Alternativrouten für den Ernstfall entwickelt werden. Wir haben mit Uwe Gabriel vom Konsortialführer travel-BA.Sys über das Smart-Data-Projekt iTESA – intelligent Traveller Early Situation Awareness und dessen Vorteile gegenüber herkömmlichen Reisewarnsystemen gesprochen.

Uwe Gabriel, Konsortialführung iTESA und Manager Public Affairs & Projects travel-BA.Sys GmbH & Co. KG
Uwe Gabriel, Konsortialführung iTESA und Manager Public Affairs & Projects travel-BA.Sys GmbH & Co. KG
Uwe Gabriel, Konsortialführung iTESA und Manager Public Affairs & Projects travel-BA.Sys GmbH & Co. KG

Herr Gabriel, Sie planen eine App, die Reisewarnungen in Echtzeit ausspricht. Wie kann diese App Unternehmen helfen?

iTESA versetzt Unternehmen in die Lage, ihre Fürsorgepflicht gegenüber Angestellten oder Kunden zu erfüllen. Denn unsere App bündelt alle Informationen zu Krisen in Echtzeit, analysiert die Risiken, benennt betroffene Mitarbeiter oder Kunden und zeigt Handlungsoptionen auf. Unternehmen sind so über die Lage vor Ort bestens informiert und können dadurch fundierte Entscheidungen zum Schutz der betroffenen Kollegen und Kunden treffen. Sie können Sicherheit bieten. Das grenzt sie von ihren Wettbewerbern ab. Die Projektpartner, die travel-BA.Sys GmbH & Co. KG, das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI, die Software AG, die Inquence GmbH und das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein, vereint also ein ehrgeiziger Wunsch: iTESA soll nicht weniger als eine Schutzengel-App für Reisende werden, mit der Unternehmen ihre Fürsorgepflicht zuverlässig erfüllen können.

Wie gelangt die App an diese Informationen?

Dafür durchforstet iTESA die weltweite Datenflut aus öffentlichen Internetquellen – von sozialen Netzwerken und Nachrichten oder Informationen von Behörden bis hin zu Agentur- und Pressemeldungen. Mit Hilfe der Kombination verschiedener spezieller Data-Mining Analysen und lernender Algorithmen stöbert die iTESA-Lösung dabei aktuelle Reiserisiken auf. Dies geschieht unter besonderer Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Im nächsten Schritt prüft das System die Glaubwürdigkeit der Meldung und klassifiziert das Risiko. Dabei stuft iTESA zum Beispiel den Bedrohlichkeitsgrad von Krisen ein und spielt Szenarien einer möglichen Verschärfung der Lage durch. So kann das System den Handlungsbedarf präzise einschätzen. Hysterie und Panikmache werden vermieden.
Im Anschluss wird ein geographischer Bezug hergestellt, der durch seine Genauigkeit besticht. Tatsächlich vermag iTESA nämlich eine Krise exakt zu lokalisieren. Das System benennt etwa bei gewaltsamen Protesten in einer Hauptstadt genau die betroffenen Straßenzüge. Dann gleicht es den Ort der Krise mit den Reisedaten aus Traveller-Systemen ab, selbstverständlich unter Berücksichtigung der gesetzlichen deutschen Datenschutzstandards. Abschließend informiert iTESA die Unternehmen via App über Mitarbeiter oder Kunden, die von der Krise betroffen sind oder sich dem Krisenherd zu nähern drohen. Lageberichte, Warnungen und Vorschläge für Alternativrouten liefern dabei die Grundlage für fundierte Entscheidungen und Aktionen.

Was macht iTESA im Vergleich zu herkömmlichen Reisewarnsystemen, zum Beispiel von diplomatischen Diensten, so besonders?

Es gibt vier zentrale Unterschiede. Erstens greift iTESA dank Automatisierung auf eine wesentlich breitere Datenbasis zurück und ist damit gründlicher. Wir beleuchten jeden Winkel der Welt, nicht nur die Großstädte. Zweitens ist das System exakt. Wir können zum Beispiel lokale Unruhen bis auf den Straßenzug genau eingrenzen und daraus das Risiko für Reisende einschätzen. Drittens ist iTESA individuell und deshalb maßgeschneidert. Wir sprechen Warnungen nur für die Personen aus, die von der Krise unmittelbar betroffen oder gefährdet sind. Unternehmen bekommen jene Informationen, die genau für sie und ihre Angestellten oder Kunden relevant sind. Viertens sprechen wir Warnungen immer dann aus, wenn die Datenlage zeigt, dass die Situation vor Ort sich für die Reisenden gefährlich zuspitzt.

Vor welchen Herausforderungen stehen Sie momentan?

Aktuell verfeinern wir unser Konzept. Wir arbeiten zum Beispiel an den Details von Alternativrouten. Da stellen sich Fragen wie: Was ist sicherer, das betreffende Land per Flugzeug oder per Bus zu verlassen? Auch geht es um den Service für Expats – also Mitarbeiter, die für eine gewisse Zeit ins Ausland entsendet werden. Wenn es sich dabei um ein Land wie etwa Südkorea handelt, können die Mitarbeiter sich dort frei bewegen und beispielsweise spontane Ausflüge mit einem Mietauto machen. Zur Risikoeinschätzung fehlt uns dann jedoch die Bewegungsinformation. Gleichzeitig hat der Arbeitgeber bei einem Auslandseinsatz eines Mitarbeiters weiterhin eine Fürsorgepflicht. Diese Finessen sind die Herausforderungen, die iTESA spannend machen.

Bisher fokussieren Sie sich auf kleine und mittelständische Unternehmen sowie Reiseunternehmen. In welchen Bereichen planen Sie iTESA zukünftig anzuwenden?

Wir könnten uns vorstellen, dass iTESA der Logistikbranche einen echten Mehrwert bringt. Fakt ist: Auch beim Transport von Waren und Gütern stehen Start und Ziel fest. Die Soll-Route ließe sich mit dem bestehenden System also schon jetzt in Bezug auf Gefahren überwachen. Im Ernstfall müssten bei der Auswahl von sicheren Alternativrouten jedoch zusätzliche Parameter berücksichtigt werden, die sich etwa aus den Vorschriften zum Gefahrguttransport ergeben.